Günther Steiner: Die Wahrheit über Mick Schumacher
Haas-Teamchef Günther Steiner
Viele Fans von Mick Schumacher ahnten, was auf sie zukommen würde, nun ist es vom Haas-Rennstall bestätigt: Der Sohn des siebenfachen Formel-1-Champions erhält keinen neuen Vertrag mehr, sein Nachfolger für 2023 als Stallgefährte von Kevin Magnussen heisst Nico Hülkenberg.
Haas-Teamchef Günther Steiner hat im Fahrerlager des Yas Marina Circuit zum Aus von Mick Schumacher wiefolgt Stellung bezogen. Gab es für den 57-jährigen Südtiroler einen gewissen Punkt, an dem ihm klar wurde: Wir müssen für 2023 eine andere Lösung finden? Steiner auf diese Frage von SPEEDWEEK.com: «Nein. Wir haben uns mit dieser Entscheidung nicht leicht getan. Wir haben uns das sehr lange überlegt, und der Vertrag mit Hülkenberg wurde erst gestern unterzeichnet. Wir wollten Mick auch zusätzlich Zeit geben, um seine Chance zu wahren. Und jeder konnte sehen, dass er sich im Laufe der Zeit verbessert hat.»
«Es gab also keinen Punkt, an dem wir sagten: Nun ist genug. Diese Entscheidung ist über Wochen und Monate gereift, immer vor dem Hintergrund, das Beste für den Rennstall zu machen. Bei den Gesprächen mit Gene Haas war vergangene Woche klar, in welche Richtung wir gehen wollen.»
Was hat bei Mick letztlich gefehlt? «Natürlich kann er nicht den Erfahrungsschatz eines Hülkenberg bringen, der zudem für verschiedene Rennställe gefahren ist. Erfahrung braucht Zeit, natürlich ist das etwas, das wir Mick nicht vorwerfen können. Aber Zeit ist eben derzeit genau das, was wir nicht haben. Wir müssen uns im Mittelfeld behaupten, und dazu brauchen wir Piloten wie Nico oder Kevin Magnussen.»
«Ich würde Mick Schumacher nie vorwerfen, dass er für die kommenden Jahre zu wenig gerüstet ist. Denn wir müssen da ehrlich sein: Wir selber müssen auch zulegen, wenn wir unseren Gegnern im Mittelfeld die Stirn bieten wollen. Ich würde Mick nie unterstellen, er sei Schuld an unserem Platz in der Weltmeisterschaft. Wir haben in der Formel 1 gut begonnen, dann aber haben wir stagniert und dann sind wir eher zurückgefallen, und das lag nicht an Schumacher. Erst 2022 haben wir wieder Fortschritte gemacht, aber unsere Saison ist ein einziges Auf und Ab. Wir brauchen Fahrer, die die bestmögliche Chance bieten, konstant Punkte sammeln zu können.»
Blieb Mick Schumacher unterm Strich unter den Erwartungen von Gene Haas und Günther Steiner? Steiner meint: «Das ist schwierig zu beantworten, weil ein Teil der mangelhaften Ergebnisse an uns liegt, nicht am Fahrer. Aber wir glauben einfach: Wenn wir über eine ganze Saison besser abschneiden wollen, dann ist die Chance dazu grösser mit einem erfahrenen Piloten wie Hülkenberg.»
War Nico immer erste Wahl? Steiner weiter: «Natürlich hat eine solche Liste am Anfang mehr Namen, aber dann werden es immer weniger. Wir haben ausgiebig mit Leuten gesprochen, die mit Nico gearbeitet haben, um uns ein besseres Bild zu machen. Er bringt gewaltige Erfahrung, auch mit Mittelfeld-Teams. Er weiss, was wir brauchen.»
Mick Schumacher hat zum Aus bei Haas gesagt: «Ich bin sehr enttäuscht.» Ich sage zu Günther Steiner: «Ich gehe davon aus, dass du Mick informiert hast?» – «Ja, ich habe gestern Mittwoch mit ihm gesprochen.» – «Wie hat er auf die Hiobsbotschaft reagiert?» Günther Steiner weiter: «Er hat das sehr erwachsen entgegengenommen. Natürlich sind solche Momente immer emotional, und es ist nicht lustig, ein solches Gespräch zu führen.»
«Nochmals: Die Unfälle von Mick Schumacher waren nicht der Grund, dass er keinen neuen Vertrag erhalten hat. Es ist eine Kombination von Faktoren, dass er über Abu Dhabi hinaus nicht mehr für uns fahren wird. Der Kernpunkt war: Welche Fahrer können uns vorwärts bringen? Und das sind derzeit unserer Ansicht nach zwei Routiniers.»
Bekommen junge Piloten in der modernen Formel 1 zu wenig Zeit, um sich zu entwickeln? Der Meraner Steiner antwortet: «In gewisser Weise hat Mick Recht. Er hatte nun zwei Jahre bei uns, aber vorher hat ein junger Fahrer kaum Möglichkeiten, sich auf diese Aufgabe vorzubereiten.»
Es fällt auf: Ende 2020 trennte sich Haas von den erfahrenen Magnussen und Romain Grosjean, um 2021 mit den jungen Nikita Mazepin und Mick Schumacher zu fahren. Nun genau das Gegenteil: Haas stellt wieder um auf ein erfahrenes Piloten-Duo? Wieso dieser Gesinnungswechsel? Steiner: «Weil wir nicht mehr das gleiche Haas-Team wie Anfang 2021 sind. Wir wussten, dass jene Saison ganz schwierig wird, weil wir unsere Ressoucen auf die Entwicklung des neuen Flügelautos 2022 bündelten. Und nun haben wir, jedenfalls zeitweise, zeigen können, dass wir im Mittelfeld gut mithalten können. Aber dazu brauchen wir wie gesagt erfahrene Hände am Lenkrad.»
«Junge Fahrer sind immer ein gewisses Risiko. Gut, heute wissen wir, die Formel-2-Fahrer George Russell, Charles Leclerc und Lando Norris sind alle herausragende Rennfahrer. Aber so ganz genau weisst du das vorher nicht. McLaren holt für 2023 Oscar Piastri. Alle stufen den Australier als fabelhaftes Talent ein, aber ganz ehrlich – nicht einmal bei McLaren wissen sie, ob das alles so kommen wird wie erhofft.»
Sprechen wir über die Zukunft: Sah es Haas nicht als Hindernis, dass Nico Hülkenberg 2019 seine letzte volle GP-Saison bestritten hat? «Das ist auch ein Aspekt, den wir uns angeschaut haben. Aber Nico ist in den vergangenen Jahren ein paar Mal für Kollegen eingesprungen, und es ist offensichtlich, dass er immer gleich auf Tempo war. Wir freuen uns darauf, mit ihm arbeiten zu können, und wir bedanken uns bei Aston Martin, dass sie Nico freistellen, so dass wir schon in der kommenden Woche beim Nachsaisontest hier in Abu Dhabi mit Hülkenberg die Arbeit aufnehmen können.»
Hat Mick Schumacher bei Haas alle Möglichkeiten erhalten, sich zu bewähren? «Ja, dieser Meinung bin ich. Wir behandeln unsere Fahrer fair.»
Hat die deutsche Medienlandschaft bei der Entscheidung gegen Schumacher eine Rolle gespielt? «Nein», antwortet Günther Steiner. «Und es geht nicht nur die Deutschen, ich will nicht, dass sie da hervorgehoben werden, sonst werden sie wieder böse. Wir sitzen alle im gleichen Boot. Die Medien müssen genug Raum erhalten, um eine eigene Meinung äussern zu dürfen.»
«Aber wenn etwas nicht gut läuft, dann weckt das Emotionen, dann äussern Leute ihre Meinung, und das sollen sie auch dürfen. In Sachen Piloten sehe ich das so – manchmal brauchen sie eine Umarmung und manchmal brauchen sie einen Weckruf. Wenn ein Fahrer nur in Watte gepackt wird, dann wird er selbstgefällig.»
Kevin Magnussen und Nico Hülkenberg, Moment mal, war das nicht was mit «Leck meine Eier!» und all dem? Günther Steiner schmunzelt: «Ich habe mit Kevin Magnussen natürlich gesprochen, und auch wenn sie früher einander das eine oder andere Mal in die Quere gekommen sind, so sind beide gereift, sie sind inzwischen Familienväter, und Anfang der Saison haben sie in Bahrain und auch danach gesprochen. Ihr Verhältnis ist normal. Kevin ist 30, Nico ist 35, wir wollen einige Jahre lang mit ihnen arbeiten.»
São Paulo-GP, Autódromo José Carlos Pace
01. George Russell (GB), 1:38:34,044 h
02. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, +1,529 sec
03. Carlos Sainz (E), Ferrari, +4,051
04. Charles Leclerc (MC), Ferrari, +8,441
05. Fernando Alonso (E), Alpine, +9,561
06. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing, +10,056
07. Sergio Pérez (MEX), Red Bull Racing, +14,080
08. Esteban Ocon (F), Alpine, +18,690
09. Valtteri Bottas (FIN), Alfa Romeo, +22,552
10. Lance Stroll (CDN), Aston Martin, +23,552
11. Sebastian Vettel (D), Aston Martin, +26,183
12. Guanyu Zhou (RC), Alfa Romeo, +29,325
13. Mick Schumacher (D), Haas, +29,899
14. Pierre Gasly (F), AlphaTauri, +31,867
15. Alex Albon (T), Williams, +36,016
16. Nicholas Latifi (CDN), Williams, +37,038
17. Yuki Tsunoda (J), AlphaTauri, +1 Runde
Out
Lando Norris (GB), McLaren, Elektrik
Daniel Ricciardo (AUS), McLaren, Kollision mit Magnussen
Kevin Magnussen (DK), Haas, Kollision mit Ricciardo
WM-Stand (nach 21 von 22 Rennen)
Fahrer
01. Verstappen 429 Punkte
02. Leclerc 290
03. Pérez 290
04. Russell 265
05. Hamilton 240
06. Sainz 234
07. Norris 113
08. Ocon 86
09. Alonso 81
10. Bottas 49
11. Vettel 36
12. Ricciardo 35
13. Magnussen 25
14. Gasly 23
15. Stroll 14
16. Schumacher 12
17. Tsunoda 12
18. Zhou 6
19. Albon 4
20. Latifi 2
21. De Vries 2
22. Nico Hülkenberg (D) 0
Konstrukteurspokal
01. Red Bull Racing 719 Punkte
02. Ferrari 524
03. Mercedes 505
04. Alpine 167
05. McLaren 148
06. Alfa Romeo 55
07. Aston Martin 50
08. Haas 37
09. AlphaTauri 35
10. Williams 8