KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Pit Beirer (KTM): «Jerez war eine tolle Bestätigung»

Von Günther Wiesinger
«Jetzt wissen wir, wo wir stehen», atmete KTM-Rennchef Pit Beirer nach den Plätzen 6 und 8 durch Pol Espargaró und Olveira in Jerez tüchtig auf.

Red Bull-KTM war mit Zuversicht zum Jerez-GP gereist, denn der neue Gitterrohrstahlrahmen mit den teilweise flachen Profilen hatte sich schon beim ersten Test Mitte November in Jerez glänzend bewährt und im Winter immer wieder für starke Auftritte bei den Tests gesorgt, vor allem durch den WM-Elften Pol Espargaró. KTM hatte im Mai bereits als erster Hersteller nach dem Ausbruch der Coronakrise in Spielberg mit Testfahrer Dani Pedrosa und Pol Espargaró zwei Testtage absolviert, dann zwei weitere Im Juni in Misano – mit allen vier Stammpiloten. Im Factory-Team sind Pol Espargaró und Brad Binder engagiert, bei Tech3 fahren Miguel Oliveira und Rookie Iker Lecuona.

Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM, spricht im Interview mit SPEEDWEEK.com über die lange Wartezeit seit den Wintertests und schildert die technischen Fortschritte an der KTM RC16.

Pit, Pol Espargaró war beim ersten Jerez-GP wieder der klare Teamleader bei KTM. Er geht zwar 2021 zu Honda, aber an seiner Motivation besteht kein Zweifel. Und er wird bei KTM weiter mit bestem Material geliefert – wie vereinbart?

Ja, diese Performance war jetzt für uns auch eine Bestätigung. Denn nach den Wintertests glaubst und hoffst du, aber den wahren Beweis über die Kräfteverhältnisse bekommst du erst bei den Rennen. Jetzt wissen wir, wo wir wirklich stehen. Das war für uns alle eine tolle Bestätigung.

Normalerweise ist der Start eine Stärke von uns. Diesmal war er bei Pol nicht so besonders, aber man hat gleich bemerk, dass sich Pol nach vorne orientieren konnte und nicht nach hinten, so ist er in keinen Abwärtsstrudel reingeraten.

Es war super, dass wir gleich zu Beginn des Rennens sehen konnten, dass wir mitmarschieren. Dann ist der Abstand auf die Spitze mal auf 2,8 bis 3 Sekunden angewachsen, er ist aber nachher weder auf 2 Sekunden reduziert worden. Das war wirklich eine coole Phase im Rennen.

Dann kam die Halbzeit, das war bisher für uns immer ein kritischer Punkt, weil noch im Vorjahr bei uns die Reifen schneller abgebaut haben als bei der Konkurrenz. Jetzt haben wir plötzlich gesehen: Nach zehn Runden fangen alle vier KTM-Fahrer an, auf ihre Vorderleute aufzulaufen. und von hinten kam nichts. Das war bei Pol und bei allen anderen super gut zu beobachten.

Letztes Jahr haben wir mit 20 Sekunden Rückstand gekämpft, Pol ist in Jerez auf Platz 13 gelandet. Jetzt waren es 6,9 Sekunden nach 25 Runden.

Das war für uns ein Highlight und sicher ein gute Basis für die nächsten Wochen.

KTM hat also die Rennperformance stark verbessert und die Lücke zu Suzuki und Ducati geschlossen?

Ja, das Feld rückt immer enger zusammen. Du verlierst im Rennen nur sieben Sekunden und bist trotzdem Sechster.

Deshalb war die Platzierung bei uns in den ersten drei MotoGP-Jahren nie der richtige Messwert, sondern einfach immer der Abstand nach vorne. Ja, und obwohl Jerez bisher eine schwierige Strecke für uns war, weil es sehr viele Kurven gibt, wo wir früher die Linie nicht halten konnten. Und in jeder Kurve sind die Fahrer immer weder einen Meter weiter draußen gefahren. Dann bist du länger in Schräglage und ruinierst deinen Reifen früher, weil du noch in Schräglage beschleunigst. Das ist ein verhängnisvoller Kreislauf gewesen.

Jetzt können wir die gleichen Linie fahren wie die Konkurrenz, die Fahrer können das Motorrad sehr früh aufrichten, was der Lebensdauer des Hinterreifens hilft. Du musst aber trotzdem gleichzeitig sehr viel Power auf den Boden bringen. Ein elektronisches Reifenschon-Programm wäre natürlich einfach, aber dann bist du leider nicht mehr schnell genug. Diesen Kompromiss haben wir jetzt echt ganz gut hingekriegt.

KTM hat 2017 in Jerez mit dem neuen Big-Bang-Motor einen Schritt gemacht. Dann kam die gegenläufige Kurbelwelle 2018 in Misano, 2019 wurde in Le Mans die Karbonschwinge gebracht, es wurde die Zündfolge geändert und die Kraftenfaltung «step by step» sanfter gestaltet. War das neue 2020-Chassis der allergrößte einzelne Schritt nach vorne?

(Er zögert). Ja, aber wir haben wieder das Bike in der ganzen Summe angegriffen. Wir haben natürlich weiter am Motor gearbeitet, um die Kraftentfaltung sanfter zu machen. Wir haben trotzdem die Spitzenleistung erhöht. Wir haben an den Gabeln und Stoßdämpfern von WP Fortschritte erzielt. Wir haben mit dem neuen Chassis einiges bewirkt. Auch die Elektronik, das «corner by corner»-Set-up, wie wir welche Kurve managen, wie viel Kraft gibst du dem Fahrer nach jeder Kurve, da haben wir überall Fortschritte gemacht, und so kommt mit vier MotoGP-Piloten allmählich eine umfangreiche Datenbank zusammen.

In den ersten zwei Jahren wurde viel darüber geredet, dass wir nicht genug Daten und zu wenig Erfahrungswerte haben. Aber jetzt kommen wir im vierten Jahr auf die gleichen Rennstrecken zurück und steigen deshalb im FP1 auf einem anderen Niveau ein als während der ersten zwei Jahre.

Unsere Steigerung basiert auf der Summe von sehr vielen Kleinigkeiten.

Dieses einzelne Teil, das man einbauen kann, um dann viel schneller zu werden, das gibt es nimmer. Du musst immer an Paketen arbeiten.

Wir waren überzeugt, dass unser Paket, das wir den Fahrern im November bei den Tests gegeben haben, um einiges stärker war als das bisherige.

Dann testest du den ganzen Winter und wartest auf den Katar-GP, um herauszufinden, was das ganze Projekt wirklich wert ist. Doch dann ging es nicht los, und wir mussten uns bis Mitte Juli gedulden, bis wir wirklich ein definitives Feedback bekommen haben.

Es ist ja seit Katar nicht viel Neues passiert.

Deshalb bin ich überzeugt: Was wir am Wochenende erfahren haben, hätten wir im März auch in Katar schon erfahren. Dann wäre diese Wartezeit nicht so unerträglich lang gewesen, auch bei unseren Partnern und Sponsoren. Der Druck von aussen ist ja nicht weniger geworden. Aber wenn du nicht fahren kannst, kannst du dich nicht verbessern.

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