Teams in der Coronakrise: Weniger GP, weniger Geld

Von Mathias Brunner
Formel-1-CEO Chase Carey

Formel-1-CEO Chase Carey

​Sieben Formel-1-Rennen sind offiziell verschoben, der Monaco-GP ist abgesagt. Wir werden 2020 weniger WM-Läufe haben, daher weniger Einkommen für die Rennställe. Die Formel 1 versucht zu reagieren.

2019 haben die zehn Formel-1-Teams rund eine Milliarde Dollar an Preisgeld erhalten. 2020 jedoch ist alles anders: Wir haben noch keinen einzigen Grand Prix erlebt, die Welt steckt tief in der Coronakrise, und niemand wagt vorherzusagen, wann endlich wieder gefahren werden kann.

Das Problematische: Wenn nicht gefahren werden kann, entfallen die Einnahmen. Daher will Formel-1-CEO Chase Carey einen Kalender aus 15 bis 18 Rennen aufstellen, sobald die Krise überwunden ist. Er wird sich auf Rennen konzentrieren, bei welchen die Veranstalter überdurchschnittlich hohe Antrittsgebühren entrichten. Monaco ist aus Sicht des Traditionalisten ein herber Verlust – erstmals seit 1954 kann der Grand Prix im Fürstentum nicht stattfinden. Aus finanzieller Sicht ist die Rennabsage zu verschmerzen: Monaco bezahlt als einziger Veranstalter keine Antrittsgebühr.

Im Schnitt blättert ein Veranstalter rund 30 Millionen Dollar auf den Tisch, um den Formel-1-Zirkus in die Stadt zu holen. Rennen in Asien, wie Baku, Shanghai, Vietnam oder Singapur, liegen über dem Schnitt, ebenfalls die zwei Grands Prix in Arabien, also Bahrain und Abu Dhabi. Daher wird Carey versuchen, solche Rennen unbedingt durchzuführen.

Die Preisgelder in der Formel 1 werden gestaffelt ausbezahlt. Grundsätzlich gilt: Je besser die Platzierung im Konstrukteurs-Pokal, desto mehr Geld erhält ein Rennstall. Dazu kommen Bonus-Zahlungen. Mit Ferrari wurde eine jährliche Sonderzahlung von mehr als 70 Millionen Dollar ausgehandelt. Die Weltmeister-Rennställe Mercedes-Benz, Red Bull Racing und Williams kommen ebenfalls in Genuss spezieller Boni.

Ferner haben wir eine Grundzahlung von 35 Millionen pro Jahr für alle Teams, dazu die angesprochene, leistungsbedingte Zahlung, basierend auf den Ergebnissen aus dem Vorjahr (für 2019 gelten also die Resultate von 2018). Weltmeister Mercedes kam dabei auf mehr als 60 Millionen Dollar, der WM-Letzte Williams auf 15.

Zusammengerechnet erhielt Ferrari 2019 mehr als 200 Millionen Dollar ausbezahlt, Weltmeister Mercedes fast 180, Red Bull Racing 150. Knapp über 50 Millionen Dollar gingen an Toro Rosso (heute AlphaTauri) und Sauber (heute Alfa Romeo Racing).

Dem gegenüber stehen immense Kosten, mit jährlichen Budgets, über welche die Teams so redselig sind wie ein Stockfisch. Mein Kollege Dieter Rencken von RacingLines und racefans.net hat versucht, die ungefähren 2019er Budgets der zehn Rennställe aufzustellen (in US-Dollar). Diese Zahlen sind unbestätigt.

Mercedes-Benz
425 Millionen
1000 Angestellte
Preisgeld 2019: 177 Millionen

Ferrari
435 Millionen
1000 Angestellte
Preisgeld 2019: 205 Millionen

Red Bull Racing
335 Millionen
780 Angestellte
Preisgeld 2019: 152 Millionen

McLaren
250 Millionen
760 Angestellte
Preisgeld 2019: 100 Millionen

Renault
210 Millionen
710 Angestellte
Preisgeld 2019: 73 Millionen

Toro Rosso (heute AlphaTauri)
155 Millionen
480 Angestellte
Preisgeld 2019: 52 Millionen

Racing Point
155 Millionen
465 Angestellte
Preisgeld 2019: 59 Millionen

Alfa Romeo (Sauber)
155 Millionen
460 Angestellte
Preisgeld 2019: 56 Millionen

Haas
150 Millionen
260 Angestellte
Preisgeld 2019: 70 Millionen

Williams
150 Millionen
635 Angestellte
Preisgeld 2019: 60 Millionen

Claire Williams macht sich wegen der Coronakatastrophe grosse Sorgen: «Wir sind stark abhänging vom Preisgeldtopf der Formel 1. Weniger Rennen bedeutet schlicht weniger Geld. Wir stehen in Verhandlungen mit dem Formel-1-Management, was finanziell mit Rennen passiert, die nicht nachgeholt werden können.»

«Wir wissen auch noch nicht, wie stark sich die Krise auf die ausgeschüttenen Preisgelder auswirken wird. Es wird nicht einfach sein, mit weniger Einkommen über die Runden zu kommen. Unsere laufenden Kosten wie Gehälter der Angestellten haben Bestand, die Löhne sind der grösste Posten unserer monatlichen Ausgaben.»

Bei Williams betragen die Lohnkosten jeden Monat rund 5,5 Millionen Dollar.

Bestimmt eine Gesundheitsbehörde, dass ein Rennen wie etwa in Shanghai nicht stattfinden kann, dann gilt höhere Gewalt und der GP-Organisator ist aus der Pflicht. Entscheidet ein GP-Organisator alleine, dass sein Rennen nicht stattfinden kann, dann muss er zahlen. Das ist auch der Grund dafür, wieso seitens der Australier bis zuletzt die Rede davon war, das Rennwochenende abzuhalten – selbst zu einem Zeitpunkt, an dem sie längst wussten, dass die Rennställe nicht antreten würden.

Die Entscheidung in Australien ist im offiziellen Wortlaut gemeinsam getroffen worden, im Dreieck Australian Grand Prix Corporation (AGPC), FIA und FOM. Paul Little, der Vorsitzende der AGPC, sagt: «Wir müssen mit der Formel 1 nun Vieles klären.» Die gemeinsame Erklärung ist ein Hinweis darauf, dass die Haftung und damit die finanzielle Last gemeinsam getragen wird.

Weil es im Rahmen der modernen Formel 1 einen solchen Fall noch nie gegeben hat, ist derzeit unklar, ob ein Promoter wie in Australien einen Teil der Antrittsgebühr zurück erhält, in Melbourne in Höhe von 31,3 Millionen Euro. Rund die Hälfte dieser Zeche zahlt der australische Bundesstaat Victoria, will heissen der Steuerzahler.

Es hat übrigens einen guten Grund, wieso Formel-1-CEO Chase Carey von mindestens 15 Rennen spricht: Der Erlös an TV-Senderechten liegt bei jährlich rund 750 Millionen Dollar im Jahr. Besteht die Saison aus weniger als 15 Rennen, müssen die verschiedenen Sender nicht den vollen Jahrespreis bezahlen.

Formel-1-Sportchef Ross Brawn sagt zum Thema Geld: «Die Teams überleben dank des Preisgelds, das wir ausschütten. Also werden Rennabsagen die Budgets der Zukunft belasten. Jeder gestrichene Grand Prix wird auch Auswirkungen auf uns als Unternehmen haben. Aber die Formel 1 ist flexibel. Wir haben Pläne, wie wir die Saison neu gestalten. Wir wollen so viele der verlorenen Rennen wie möglich im späteren Verlauf der Saison nachholen. Die Sommerpause vorzuziehen, ist ganz wichtig, um später mehr Rennen fahren zu können, wenn sich die Lage beruhigt hat. Wir werden von allen Beteiligten viel Toleranz brauchen, um noch möglichst viele Rennen fahren zu können.»

Es gibt den Plan, an einem Ort zwei WM-Läufe zu fahren. Aber Ex-Formel-1-Fahrer Marc Surer sagt: «Diese Rechnung geht nicht auf. Gewiss, für die Teams wäre das einfacher, aber kein Veranstalter wird zwei Mal eine Antrittsgebühr zahlen. Sinn machen vielmehr Kombination, wie etwa die WM-Läufe von Bahrain und Abu Dhabi zu verbinden.»

Längst sind Sparmassnahmen ergriffen worden: Die neue Rennwagengeneration kommt erst 2022. Erst ab Februar 2021 darf für diese Autos mit Windkanalmodellen getüftelt werden. Die Chassis des Jahres 2020 werden auch 2021 verwendet. Auch weitere Elemente werden übernommen, wie viele, darüber wird derzeit verhandelt. Im Gespräch sind Teile wie das Getriebe, wie Radträger, wie Kühler, sollte die Motorentwicklung eingefroren werden, was ebenfalls in Diskussion ist.

Aerodynamische Evo-Pakete für die Saison 2020 liegen auf Eis, weil niemand weiss, wann die Formel 1 wieder fahren kann. Die Produktion ruht, weil keine neuen Teile angefertigt werden müssen und das gegenwärtige Material unbenutzt bleibt.

Noch steht nicht fest, auf welcher Höhe der Budgetdeckel 2021 angesetzt wird. Generell war eine Budget-Obergrenze von 175 Millionen US-Dollar angedacht, zusätzlich 1 Million pro Grand Prix über 21 WM-Läufe hinaus.

In diesen 175 Millionen NICHT eingeschlossen sind: Aufwand für Marketing, Gehälter der Fahrer, Kosten für kulturelle Posten (etwa den Betrieb alter GP-Rennwagen), Boni, Abschreibungen und Amortisation, Kosten, die mit der Formel 1 nichts zu tun haben, Anmeldegebühr des Teams und Superlizenzgebühr der Fahrer, Gehälter der drei bestbezahlten Angestellten (abgesehen von den Piloten).

Vielleicht erzeugt die Coronakrise bei allem Leid etwas Gutes: Dass Autosport-Weltverband FIA und Formula One Management den Teams schmackhafter machen können, den Budgetdeckel niedriger anzusetzen.

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