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Jean Todt (FIA): Coronakrise zwingt zum Umdenken

Von Mathias Brunner
Formel-1-CEO Chase Carey (links) und FIA-Chef Jean Todt 2019 in Shanghai

Formel-1-CEO Chase Carey (links) und FIA-Chef Jean Todt 2019 in Shanghai

​Jean Todt – Präsident des Autosport-Weltverbands FIA – warnt: «So etwas wie die Coronakrise hat es nie zuvor gegeben. Wir müssen umdenken, denn die Menschen haben andere Prioritäten als Rennsport.»

Jean Todt ist davon überzeugt: Die Coronakrise wird im Motorsport tiefe Wunden hinterlassen, und ohne Reformen wird das Überleben schwierig. Im FIA-eigenen Magazin AUTO sagt der 74jährige Präsident des Autosport-Weltverbands: «Wir müssen umdenken, denn die Menschen haben andere Sorgen als Rennsport.»

«Für einen Autohersteller geht es derzeit doch nicht vorrangig darum, Kontinuität im Rennsport sicherzustellen. Ich bin sicher, dass viele Rennställe, Lieferanten und Autobauer derzeit ihre Rennprogramme unter die Lupe nehmen. Vielleicht werden einige zum Aufhören gezwungen.»

«Ich kann nur hoffen, dass Rennstallbesitzer und Geldgeber ihre Motivation behalten. Wir müssen sie im Gefühl bestärken, dass die Menschen den Motorsport lieben und brauchen. Aber wir müssen auch bescheiden und realistisch bleiben. Denn die Wahrheit ist – Rennsport ist für die Gesellschaft verzichtbar. Wir brauchen eine neue Herangehensweise. Wir brauchen sozusagen einen ‚new deal’, so wie in Amerika nach der grossen Depression.»

Der von Todt angesprochene «new deal» bestand aus einer Serie von Wirtschafts- und Sozialreformen, die der damalige US-Präsident Franklin Delano Roosevelt 1933 bis 1938 einführte, um das Land aus der Weltwirtschaftskrise zu führen. Diese Massnahmen wurden in drei Bereiche geteilt – Erleichterung, Erholung und Reform. Kurzfristig ging es darum, die Not von Armen und Arbeitslosen zu lindern, mittelfristig um Massnahmen zur Belebung der Wirtschaft (mit einer Änderung der Geldpolitik), langfristig um die Einführung von Sozialversicherungen und einer Regulierung der Finanzmärkte.

Jean Todt weiter: «So etwas wie die Coronakrise hat es nie zuvor gegeben. Wir stehen auf jedem Niveau vor Hindernissen – Nationen, Städte, Gemeinden, Nachbarschaften, Familien. Wir von der FIA wollen unseren Teil dazu beitragen, diese Krise zu überstehen und eine bessere Zukunft zu schaffen.»

«Covid-19 hat zu einem Umbruch geführt, wie ihn die Welt noch nie erlebt hat. Ganze Wirtschaftszweige sind zum Stillstand gekommen, Städte im Lockdown. Diese Pandemie hat unseren Glauben ins Wanken gebracht, unerschütterlich zu sein. Das ist nicht nur eine Gesundheitskrise, das ist auch eine Katastrophe auf ganz anderen Ebenen, finanziell, sozial, politisch, menschlich. Wir stehen vor gewaltigen Aufgaben.»

Jean Todt unterstreicht besonders die Arbeit der Motorsportindustrie, um das Gesundheitswesen zu stützen. «Die Rennindustrie hat überaus schnell reagiert, um medizinische Ausrüstung zu liefern. Ich war sehr beeindruckt davon, wie schnell beispielsweise Beatmungsgeräte entworfen und gebaut wurden, so wie im Rahmen des ‘Project Pitlane’ der Formel-1-Teams. Da ist dank viel Ingenieurs-Talent Bemerkenswertes erreicht worden.»

Um den finanziellen Druck zu vermindern, wird in der Formel 1 ab 2021 der Kostendeckel eingeführt. F1-Sportchef Ross Brawn: «Wir werden mit 145 Millionen Dollar anfangen. Die Diskussion dreht sich nun darum, wie sehr wir das in den Jahren darauf senken können. Vor allem die Rennställe aus dem Mittelfeld werden besser dastehen, den wir senken die Kosten, und das Geld wird gerechter verteilt. Zusammen mit einem neuen Reglement 2022 werden wir mittelfristig in die Lage kommen, dass ein Team aus dem Mittelfeld Podest-Ränge anstreben und Gewinn erarbeiten kann. Wenn wir all das erreichen, dann haben wir eine nachhaltige Formel 1 der Zukunft.»

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