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Trevor Morris (ExternPro): So läuft's in der Moto2-WM

Von Günther Wiesinger
Seit 2010 werden in der Moto2-WM die 600-ccm-Einheitsmotoren von Honda verwendet. Sie werden bei ExternPro aufgebaut und gewartet. Der Aufwand ist beträchtlich.

Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta hing die Monopolstellung von Aprilia und Gilera in der 250-ccm-Zweitakt-WM irgendwann zum Hals heraus. Als Suzuki und Yamaha ausstiegen und Honda die Zweitakt-Entwicklung bis Ende 2009 nur noch auf Sparflamme betrieb, dominierten die Marken der Piaggio Group (Aprilia und Gilera) die 250er-WM nach Belieben.

So konnten sich die Italiener erdreisten, jedes Jahr 1,3 Millionen Euro für die Werks-RSA 250 als Leasingkosten zu verlangen, obwohl jahrelang keine Entwicklung mehr betrieben wurde. KTM war als einziger Gegner verblieben. Honda strengte sich nicht mehr ernsthaft an.

Deshalb entschied sich die Dorna für Einführung der 600-ccm-Einheitsmotoren von Honda für 2010. Die Teams mussten für die Triebwerke samt Revisionen nur 60.000 Euro pro Fahrer und Jahr bezahlen. So kommt heute ein Moto2-Team pro Jahr und Fahrer auf Materialkosten von rund 300.000 bis 400.000 Euro im Jahr. Pro Fahrer. In den letzten zwei Jahren hat die Dorna die Kosten für die Triebwerke übrigens sogar auf 20.000 Euro gesenkt.

Die Fima ExternPro, im Tecnopark des MotorLand Aragón beheimatet, kümmert sich um den Aufbau und die Bereitstellung der Motoren.

Gleichzeitig werden dort bereits die Weichen für die Triumph-765-ccm-Dreizylinder-Ära 2019 gestellt. Technical Director Trevor Morris beantwortete die Fragen von SPEEDWEEK.com. Der Engländer war mehr als 20 Jahre lang als Crew-Chief im GP-Paddock tätig, unter anderem bei Repsol-Honda für Tohru Ukawa. Er nahm im Interview mit SPEEDWEEK.com zu einigen Problemen des Serienmotors und zum recht aufwändigen System der Einheitsmotoren Stellung.

Bei ExternPro in Spanien werden jetzt in der fünften Saison die Moto2-Einheitsmotoren für die Weltmeisterschaft aufgebaut und revidiert. Nach jeweils drei Grand Prix erhalten die Moto2-Teams identische neue Triebwerke, die vom Honda Supersport-Motorrad CBR 600RR stammen. Auch in den Jahren 2018 werden die Honda-Einheitsmotoren noch bei ExternPro im Technopark des MotorLand Aragón gewartet.

Trevor, was habt ihr bei ExternPro an diesen Vierzylinder-Honda-Triebwerken verbessert? Es gab früher immer Klagen über das Getriebe. Lässt sich auch mehr Power rausholen?

Im Grunde ist der insgesamt entscheidende Faktor das Geld, wenn du heute mit den Teams sprichst.

Es gab ja nach sechs Jahren für 2016 schon viele Vorschläge für ein neues Moto2-Motorenkonzept. KTM plädierte für einen 500er-V2, Eskil Suter sprach über einen 750-ccm-Dreizylinder.

Aber die Teammanager wollen in der Moto2 kein zusätzliches Geld ausgeben. Dazu war keiner bereit. Deshalb wurde das aktuelle System und Format für drei weitere Jahre bis Ende 2018 verlängert.

Ehrlich gesagt: Das Motorenpaket für die Moto2-WM ist momentan zu billig. Und weil es so preiswert ist, haben sich die Teams daran gewöhnt, für die Motoren nicht viel Geld auszugeben. Wenn finanzielle Änderungsvorschläge auf den Tisch kommen, wäre das für die Teams mit einem massiven Schock verbunden.

Die Teams ahnen: Wenn etwas geändert wird, kostet es mehr Geld als jetzt.

Momentan bezahlt jedes Team pro Fahrer in einer Saison nur 20.000 Euro für die Motoren. Das gilt für die Grand Prix und jeweils für zwei IRTA-Tests.

Richtig. Die Teams haben sich an diesen Betrag gewöhnt.
Aber die meisten Teams beklagten sich über das Serien-Getriebe.

Warum verlangte man nicht zehn Prozent mehr pro Saison und sorgte dafür für ein besseres Getriebe?

Darüber haben wir uns bei ExternPro den Kopf zerbrochen. Das war der Grund, warum ExternPro das Moto2-Geschäft nach 2012 von GEO Technology übernommen hat. Denn die Connection zu den Teams ist besser, sie kennen mich.

ExternPro betrachtet die Moto2 nicht als Profitgeschichte. Wir sind einfach hier, um die Teams zu unterstützen. Das war die ganze Idee von ExternPro.

Wir unterhalten uns viel mit den Teams. Wir haben uns auch bemüht, mit der Dorna und den Teams Paddock die beste Lösung für 2019 zu finden. Es wurden alle Für und Wider abgewogen. Wir werden uns bemühen, auch mit dem künftigen System die Teams so happy wie möglich zu machen. Es nützt uns nichts, wenn wir drei Teams zufriedenstellen und alle anderen verärgern. Wir haben jetzt eineinhalb Jahre Zeit, mit dem neuen Motorenhersteller ein vielversprechendes Konzept auszuarbeiten.

Manchmal wurde vor zwei Jahren noch vorgeschlagen, beim existierenden 600-ccm-Motor ein Kassettengetriebe einzubauen. Aber es passierte nichts. Warum?

Wir haben es probiert. Es war unmöglich. Aber wir haben die Getriebeprobleme von 2014 auf 2015 um 60 Prozent reduziert. Dann gingen die Beschwerden zurück.

Wir verfügen seit 2015 über ein Programm, mit dessen Hilfe wir bei jedem Fahrer die Getriebeprobleme genau aufzeichnen können. Seit 2016 haben wir ein Programm, mit dem wir den Druck beim Gangwechsel messen können. Die Teams müssen uns all diese Information übergeben.

Aber jeder versteht, dass wir es mit einem Getriebe aus einer Strassenmaschine zu tun haben.

Gleichzeitig werden die Rundenzeiten sekundenweise schneller, die elektronischen Quick-Shift-Systeme werden immer schneller und perfekter. Wir müssen also ständig Kompromisse suchen. Am Getriebe hat sich in den letzten Jahren nichts Grundsätzliches geändert. Aber wir haben einige Teile im Getriebe modifiziert.

Da ging es in erster Linie um den Schaltmechanismus.

Die Getriebeprobleme rührten in der Vergangenheit oft daher, dass die Fahrer versuchten, so schnell wie bei einem richtigen Rennmotorrad zu schalten. Aber das ist bei diesem Seriengetriebe nicht möglich. Und die Teams haben die Limits bei den Settings für den Power-Shifter zu weit ausgereizt. Wenn du Probleme mit dem Getriebe hast, wenn zum Beispiel der Gang rausspringt, kann das nur eine Ursache haben: Der Gang wurde nie richtig eingelegt.

Der Gang springt nur raus, wenn das Getrieberad seinen Kreislauf nicht vollständig bewältigt hat. Ein mechanisches System verlangt einfach eine gewisse Mindestzeit für den Gangwechsel. Wenn du diese Zeit unterschreitest, bedeutet es, dass du nicht korrekt geschaltet hast.

Wir hatten bei manchen Fahrern mehr Probleme als bei andern. Mit Johann Zarco zum Beispiel hatten wir in den letzten Jahren nie auch nur das geringste Problem beim Schalten. Und da die Motoren rotieren, hatte er dauernd andere Motoren im Einsatz.

Einige Fahrer verfügen beim Schalten überausgezeichnete Fähigkeiten, manche Fahrer weniger. Jeder ist anders. Es kommt auch auf das Setting der Teams an.

Ihr müsst deshalb oft sehr aufwändige Getriebe-Revisionen machen?

Du würdest nicht glauben, wie viele Teile wir wechseln. Wir lassen die Fahrer zwischen 1500 und 1800 km fahren.

Die Fahrer drehen pro Weekend unterschiedlich viele Runden.

Tito Rabat spulte zum Beispiel immer verrückt viele Kilometer ab, Cortese zum Beispiel viel weniger. Diese zwei Fahrer bildeten die beiden Extreme im Feld.

Aber wir wissen heute, dass wir mit den Motoren dreimal so viele Kilometer abspulen könnten. Wenn wir Geld sparen müssten, könnten wir also zwischen den Revisionen 4500 oder 5000 km zurücklegen. Wir können fünf oder sechs Rennen fahren statt drei.

Doch wir haben ein gutes Paket, deshalb müssen wir bei den Ersatzteilen nicht sparen. Wir sind zu keinen Abkürzungen oder Kompromissen verpflichtet. Und durch die geringere Laufzeit, die wir uns leisten, können wir die Probleme minimieren.

Was wird bei den Revisionen alles erneuert?

Es gibt zwei Sorten von Rebuilds, ein grosses und ein kleines. Beim kleinen Rebuild ersetzen wir rund 70 Prozent der Teile, bei der grossen Revision kriegst du praktisch einen brandneuen Motor. Die Motornummern bleiben zwar gleich, aber es wird alles erneuert, sogar das Motorgehäuse, das Getriebe, die Kurbelwellen, die Kolben, Zylinderköpfe – alles.

Du hast einmal erwähnt, dass man zum Beispiel bei einem Straßenmotorrad nie den ersten Gang verwendet. Mit dem Moto2-Motor müssen aber viele Erste-Gang-Kurven gefahren werden.

Ja, Texas ist ein perfektes Beispiel. Dort verwenden manche Fahrer die ersten fünf Gänge, andere nehmen den zweiten bis zum sechsten.

Wenn du den ersten Gang verwendest, kriegst du mehr Probleme, das ist verständlich, ausserdem musst du den Leerlauf überwinden. Einige Fahrer sind dann beim Schalten zu aggressiv, sie schalten mit viel Kraft und Gewalt, sie nehmen keine Rücksicht auf das Getriebe, das führt zu Getriebeschäden. Trotzdem haben wir zum Beispiel 2015 in Texas nur zwei Getriebeschäden gehabt – im ganzen Moto2-Paddock.

Es gibt gewisse Strecken, auf denen das Getriebe sehr stark beansprucht wird. In Assen zum Beispiel, dazu in Silverstone.
Wenn du einen geringen Griplevel hast, verstärken sich die Getriebeprobleme. Wenn der Gang nicht drin ist, kann es durch den Zug der Antriebskette zum Rausspringen des Gangs kommen. Aber wir können mit Bestimmtheit sagen, dass wir das Getriebe in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit den Teams verbessert haben.

ExternPro muss 30 Stammfahrer in der Moto2-WM versorgen. Wie viele Motoren habt ihr dazu im Umlauf?

Wir verfügen wir über ca. 220 Motoren. Das ist die Anzahl, die wir für den Kreislauf über drei Jahre benötigen.

Im ersten Jahr reichen 140, im zweiten Jahr kommen 60 neue dazu, im dritten Jahr noch einmal ca. 30. Wir wollen ein möglichst geringes Risiko. Wir könnten uns mit weniger Motoren zufrieden geben.

Was liefert Honda an euch? Einfach serienmässige CBR-600RR-Motoren?

Ja, dazu erhalten wir dann die Umbau-Kits von HRC, damit entstehen die Moto2-Einheitsmotoren. Im Kit sind Zylinderköpfe dabei, die Lichtmaschine, die ECU, Ventilfedern, die Drosselklappe, die Airbox samt Filter, Nockenwellen, dazu ein längeren erster Gang fürs Getriebe.

Was wäre deine bevorzugte Lösung für die Moto2-WM nach der Saison 2018 gewesen?

Es ist nicht meine Aufgabe, darauf eine Antwort zu haben. Es wurden im Frühjahr 2015 drei weitere Jahre mit Honda bis Ende 2018 fixiert.

Danach konnten in Ruhe die Gesprächen über die Zukunft beginnen. Ich hatte ein paar sehr gute Ideen. Aber die habe ich für mich behalten.

War Honda bisher der perfekte Motorenlieferant?

Logischerweise, ja. Denn dieses Moto2-Konzept ist in der Vergangenheit anderen Werken angeboten worden. An Yamaha und Kawasaki, zum Beispiel. Sie waren dazu nicht in der Lage.

2014 habe ich auch mit jemandem von KTM gesprochen. Ich habe ihnen gezeigt, wie viele Prüfstandstunden wir aufwenden. Unser Prüfstand hat 1 Million Euro gekostet, er ist rund um die Uhr in Betrieb.

Es kommt kein Moto2-Triebwerk ins Fahrerlager, das keinen Probelauf auf dem Prüfstand hinter sich hat. Jeder neue Motor bringt da zwei, zweieinhalb oder drei Stunden hinter sich. Auch nach jeder Revision kommt der Motor zurück auf den Prüfstand.

Als ich KTM alle Information gegeben habe zu den Prüfstandversuchen und zur Anzahl der im Umlauf befindlichen Motoren, als ich ihnen gesagt habe, wie viel Personal wir haben, nämlich insgesamt acht Mitarbeiter nur für die Moto2, da haben sie ihr Interesse verloren. Sie haben nicht mit einem so immensen Aufwand gerechnet.

Es ist ziemlich kompliziert, den Level zu halten, den die Moto2-Teams erwarten und den sie gewöhnt sind.

Die Kosten sind der bestimmende Faktor. Und da wir uns in vielen Ländern immer noch in einer Rezession befinden, war bisher noch nicht der richtige Zeitpunkt, um über eine Erhöhung der Motorkosten für die Moto2 zu verhandeln.

Alex Baumgärtel von Kalex engineering konnte sich 2015 noch vorstellen, für 2019 die von den Teams und Fahrern erwünschten Kasettengetriebe zu entwickeln, beim Bau der Motoren mitzuwirken und dann ExternPro die Revisionen zu überlassen.

Ich habe mich damals mit ihm darüber unterhalten. So viel ich verstanden habe, wollte er das Kurbelgehäuse bauen und dann ein Kasettengetriebe damit verknüpfen. Nachher wollte er mit Honda über die restlichen Teile verhandeln. Da wäre es um Zylinderköpfe, Kurbelwellen, Kolben und so weiter gegangen. Es hätte einfach richtig und korrekt gemacht werden müssen, so wie jetzt. Das ist wichtig.

In der Moto2-WM haben es die Teams hinsichtlich der Motoren sehr einfach. Sie müssen sich um das Thema Motoren überhaupt nicht mehr kümmern.

Und sie sind an dieses hohe Service-Niveau gewöhnt. Also verursacht schon das kleinste Problem einen Riesenwirbel.

Du hast als Crew-Chief bei Repsol-Honda in der 250er-WM gearbeitet. Auch bei richtigen Rennmaschinen gab es Getriebedefekte?

Ja, wir haben auch mit der Werks-Honda NSR 250 Schaltprobleme gehabt, das habe ich in meinen Unterlagen gefunden. Auch mit der NSR 500 hatten wir manchmal Schaltprobleme. Das ist nichts Neues.

Ich weiss noch, als Valentino Rossi von Aprilia zu Honda kam, er konnte gar nicht glauben, wie problemlos dieses Motorrad funktionierte. Er sagte, bei Aprilia habe er immer zwei Finger auf der Kupplung haben müssen.

Die Vorbehalte gegen die Moto2-Einheitsmotoren waren ursprünglich sehr gross. Manche Teamchefs fürchteten, statt Werken würden irgendwelche Hinterhofbastler die Fahrwerke liefern, andere sprachen von Einheitsbrei.

Ja, es gab anfangs gewaltige Einwände und Bedenken. Auch ich war dagegen, in diesem GP-Paddock Motoren zuzulassen, die auf Triebwerken von Production-Bikes basieren.

Aber als ich diese Angelegenheit in einem breiteren Spektrum betrachtet und Erfahrung mit diesem Format gesammelt habe, habe ich meine Meinung geändert. Dieses Konzept hat dem Moto2-Fahrerlager geholfen, die Krise zu überleben. Dafür sollten die Teams dankbar sein.

Die Teams konnten ihre Materialbudgets für die Mittelgewichtsklasse noch nie so einfach kalkulieren wie heute. Das kosten die Motoren, das kosten die Reifen, das kostet ein Chassis...

Nur die Kosten für die Sturzschäden kannst du nicht berechnen. Aber das war schon immer so.

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