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Zucht, Motorschäden und die Angst vorm Versagen

Kolumne von Michael Scott
Mugello: Valentino Rossis Siegchance ging in Rauch auf

Mugello: Valentino Rossis Siegchance ging in Rauch auf

Die technischen Entwicklungen der Königsklasse des Motorradsports finden bei den Straßenmaschinen der Hersteller kaum Anwendung. Wie rechtfertigt man trotzdem ein lebenslanges Interesse am Motorradsport?

Die Rasse verbessert die Zucht? Die Zucht verbessert die Rasse? Beide Aussagen oder keine von beiden ist wahr, es kommt auf die Interpretation an. Meine persönliche Rechtfertigung für ein lebenslanges Interesse am Motorradsport rührt von jungenhafter Genusssucht her. Natürlich ist das die Hauptsache. Die Gefahr, der Speed und die grundsätzliche Idiotie, sein Leben zu riskieren und umfangreiche Ressourcen für Ingenieursarbeit einsetzen, nur um schneller als der nächste Typ wieder an die Stelle zurückzukommen, an der du gestartet bist. (Ich meine, warum bleibt man nicht einfach dort?)

Doch ich brauche eine tiefgreifendere Rechtfertigung, dass Rennsport seinen Wert hat, nützlich ist und zum Fortschritt der Menschheit beiträgt. Natürlich war das einmal wahr, in den Tagen, als Rennen wie die TT zu großartigen Durchbrüchen bei Leistung und Standfestigkeit sorgten.

Damals als Ingenieurskunst und Metallkunde durch eine Kreuzung mit der Luftfahrtindustrie weiter verfeinert wurden. Der Motorradsport half dabei, Innovationen wie Zylinderblöcke und Zylinderköpfe aus Aluminium auf den Weg zu bringen. Dann kamen Hochleistungsmotoren mit immer mehr Zylindern – vorangetrieben vom Drehzahl-hungrigen Herrn Honda.

Doch mit zunehmender Spezialisierung wurde es schwieriger, direkte Verbindungen herzustellen. Vor allem, als sich die Ingenieurs-Mode vom Zweitaktmotor entfernte. Was, wie jeder Trottel weiß, das ideale Triebwerk für ein Motorrad ist.

Die Viertakter hätten diese Distanz verringern sollen, aber das taten sie nicht, wurde mir wiederholt von Ingenieuren der Werke versichert. Nicht einmal seitens der Elektronik. Die Elektronik von Straßenmaschinen wird aus der Autoindustrie abgeleitet. Der Informationsfluss verläuft nicht vom Rennsport auf die Straße, sondern anders herum.

Wenn etwas für Ausgleich sorgt, dann die Regel der limitierten Anzahl von Motoren. Für die Saison 2016 wurde sie auf sieben angehoben, aber (das ist der Knackpunkt) sie müssen vor dem ersten Rennen des Jahres versiegelt werden. Modifikationen sind nur aus Gründen der Sicherheit erlaubt, wenn alle Hersteller zustimmen.

Hier ist eine Möglichkeit für eine wahrlich nützliche Entwicklung: hoch drehende Motoren mit geringer Reibungsleistung, die eine angemessene Laufleistung (durchschnittlich etwas weniger als 1.550 km) erzielen.

Noch einmal, mir wurde berichtet, dass die Materialien und Techniken so spezialisiert sind, dass die nicht für Straßenmaschinen verwendet werden... Doch man weiß nie, was vielleicht herauskommt.

Als ich Honda Motor-Präsident Nobuhiko Kawamoto einmal in den 1990ern gefragt hatte, warum sie mit Zweitaktern Rennen fuhren, obwohl Honda fast ausschließlich Viertakter verkauft, war seine Antwort gewohnt epigrammatisch. «Wenn du nur die Fragen stellst, von denen du weißt, dass du sie stellen willst, dann erhältst du nie unerwartete Antworten.»

Doch wie wirkt sich das auf den Rennsport aus? Naja, man sollte vielleicht Valentino Rossi fragen, er kann sich an eine Zeit erinnern, als Honda gerne zwei oder drei Motoren pro Rennwochenende einsetzte, wenn es nötig war.

Bei seinem Heimrennen in Mugello 2016 verbrauchte Rossi jedoch einen Motor zu viel. Es raubte ihm seine Siegchance, als er an Lorenzos Hinterrad klebte und bereit für eine Attacke wirkte, sobald die Zeit reif war, dass seine Yamaha medienwirksam in einer Wolke weißen Rauchs verschwand.

Süße Ironie: Lorenzos Motor ging auf genau dieselbe Weise am Morgen im Warm-up in die Luft. Eine Runde weniger und er hätte diesen Motor auch im Rennen eingesetzt. Natürlich blieben Yamahas Lippen zunächst versiegelt, wie auch die Motoren. Am Ende stellte sich heraus, dass die Einheitselektronik für diese bittere Pille sorgte, die Rossi schlucken musste. Durch sie funktioniert der Drehzahlbegrenzer nicht so exakt wie in den letzten Jahren. Gepaart mit einer Kuppe auf der Gerade von Mugello führte dies zum Motorschaden. In jedem Fall war dies einer ihrer ersten drei Motoren. Nun setzen beide bereits den vierten ein, obwohl noch nicht einmal die Hälfte der Saison absolviert wurde – sieben stehen insgesamt zur Verfügung.

Zum Vergleich: Die beiden Werks-Ducati haben erst drei Motoren im Einsatz, wie auch die Honda-Piloten – ausgenommen Márquez, der seinen vierten Motor beim Jerez-GP zum Einsatz brachte und einen der ersten drei nicht mehr nutzte. Honda nahm diesen Motor jedoch nicht aus der Allocation, was bedeutet, dass sie ihn nicht öffnen und analysieren dürfen.

Die Yamaha-Ingenieure haben etwas gelernt. Auch wenn es nur das ist, die Drehzahl auf das Niveau der Satelliten-Piloten Smith und Espargaró zu senken, denn beide haben erst ihren dritten von sieben Motoren im Einsatz und noch keinen verloren. Doch das könnte es schwieriger machen, Rennen zu gewinnen.

Die Fahrer werden wohl in Angst leben müssen. Die Strafe für den Einsatz von mehr als sieben Motoren ist ein Start aus der Boxengasse, fünf Sekunden nachdem die Ampel grün zeigt. Doch das wäre immerhin nicht so schlimm, wie von einer stinkenden Rauchwolke umgeben am Streckenrand zu stehen.

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