Helmut Marko hält Verstappen für unschlagbar

Red Bull Racing: Jetzt muss Partner Renault handeln

Kolumne von Mathias Brunner
Daniel Ricciardo mit dem neuen Red Bull Racing RB14

Daniel Ricciardo mit dem neuen Red Bull Racing RB14

Zum Schluss der Saison 2017 hin hatte Red Bull Racing teilweise das schnelleste Auto. Aber der WM-Titel 2018 liegt nur dann drin, wenn sich der langjährige Partner Renault markant steigert.

Red Bull Racing hat Lektionen aus den letzten Jahre gelernt. 2017 wurde das Auto so spät auf die Bahn gebracht, dass Fehler in der Übereinstimmung der Daten zwischen Flussdynamikberechnung, Windkanal und Rennstrecke zunächst nicht richtig eingeordnet werden konnten. Erst als diese Probleme gelöst waren, legte RBR zu. Und zwar gewaltig. Mehr als 1,5 Sekunden pro Runde wurde der Wagen schneller, im Spätsommer wurde das Team aus eigener Kraft siegfähig. Nach dem glücklichen Sieg von Daniel Ricciardo in Baku triumphierte Max Verstappen in Sepang und Mexiko-Stadt mit purem Speed – die Konkurrenz hatte keine Chance gegen den Niederländer.

Das neue Auto Red Bull Racing RB14 macht einen hervorragenden Eindruck. Besonders die extrem schlanken Seitenkästen erzeugen in den sozialen viel Aufmerksamkeit und Anerkennung. Es macht auch Hoffnung, dass sich Adrian Newey – der beste Rennwagentechniker der letzten 25 Jahre – wieder vermehrt eingebracht hat, nachdem die Arbeit am Supersportwagen Aston Martin Valkyrie weitgehend abgeschlossen ist.

Red Bull Racing brachte das Modell RB14 plangemäss auf die Silverstone-Bahn, wo ein so genannter Filmtag durchgeführt worden ist. Dabei wird zwar tatsächlich gefilmt, aber wichtiger ist das Roll-out des Fahrzeugs, ein kompletter Funktionstest. Der konnte auch gemacht werden, obschon das Wetter typisch englisch war – es regnete.

Der Trick mit der schwarz-blauen Tarnbemalung, «Special Edition» genannt, ist doppelt clever: Erstens redeten die Fans an diesem Tag von nichts anderem, viele wünschen sich sogar, dass die vierfachen Formel-1-Weltmeister so Rennen fahren werden. Werden sie aber nicht. Schon bei den ersten Wintertests (ab 26. Februar in Barcelona) werden die Autos anders aussehen. Die spezielle Lackierung verhindert auch, dass gewisse Bereiche des Autos deutlich erkannt werden können. So ganz in die Karten lässt sich die Truppe von Teamchef Christian Horner ohnehin nicht: Besonders der Frontflügel erinnert stark an die 2017er Lösung, und der wichtige Bereich bei den Seitenkästen wird sich weiter verändern.

Adrian Newey ist sich nicht zu schade, gute Ideen der Konkurrenz zu kopieren: Siehe Lufteinlässe am oberen Rand der Seitenkästen oder hoch angebrachte Querlenker der Vorderradaufhängung. Bei den Seitenkästen machte Ferrari 2017 vor, wie das bei einem modernen Renner geht, bei der Aufhängung waren Toro Rosso und Mercedes 2017 Vordenker.

Keiner zweifelt an den Fähigkeiten von Newey und seinen Kollegen in Sachen Aerodynamik. Das grösste Fragezeichen ist bei Red Bull Racing nicht das Chassis, sondern der Motor.

Die Kernfrage wird sein: Schafft es Renault, die Leistungslücke zu den Triebwerken von Mercedes und Renault so zu schliessen, dass Ricciardo und Verstappen siegfähig sind?

Zur Erinnerung: Als Sebastian Vettel von 2010 bis 2013 vier Mal in Folge Weltmeister wurde, hatte Red Bull Racing durchaus nicht den besten Motor. Aber einen meist standfest laufenden. In den letzten Jahren haben die einstigen Turbo-Pioniere von Renault hingegen enttäuscht – ihr Triebwerk war eine im Rennsport unerwünschte Kombination: zu wenig leistungsstark und auch nicht zuverlässig genug.

Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner macht sich Sorgen. Der Engländer glaubt: Der Vorsprung von Ferrari und Mercedes beim Motor ist so gross, dass Renault und Honda möglicherweise gar nicht aufholen können.

Das gegenwärtige Formel-1-Motorenreglement läuft bis Ende 2020. Bis dahin müssen wir mit diesen 1,6-Liter-V6-Einzelturbomotoren auskommen, die mit einer Mehrfach-Energierückgewinnung ausgerüstet sind, sündhaft viel Geld gekostet haben und für so manchen Fan klingen wie ein genervter Staugsauger.

Erst 2021 werden wir ein neues Regelement erhalten. Bei den gegenwärtigen Diskussionen wird eine Entrümpelung angestrebt. Das Grundprinzip eines aufgeladenen V6-Hybridmotors wird bleiben, allerdings sollen die Antriebseinheiten ab 2021 mit zwei Ladern ausgerüstet werden, zu dem fällt die Energierückgewinnung am Lader weg (über den elektrischen Generator MGU-H). Davon versprechen sich die Verantwortlichen einen besseren Sound und eine Verringerung der Kosten.

Beim heutigen Reglement hofften die Fans, dass der Klassenbeste Mercedes irgendwann eingeholt wird. Von 2014 bis 2016 machten Lewis Hamilton und Nico Rosberg den WM-Titel unter sich aus. 2017 gab es mehr Gegenwind von Ferrari, aber letztlich hatte dann Hamilton gegen Vettel doch die Nase vorn.

Horner schimpfte im vergangenen Sommer: «Es ist für uns inakzeptabel, dass wir nicht konkurrenzfähig sind, also setzen wir Himmel und Hölle in Bewegung, um das zu ändern – in der Regel in Form eines vorzüglichen Chassis. Aber die Realität sieht so aus, dass Mercedes und Ferrari uns so weit enteilt sind, basierend auf einem gewaltigen Investment, dass es mir schwerfällt zu begreifen, wie wir das von heute bis Ende 2020 wettmachen sollen.»

Horner hat aus seiner Abneigung gegenüber der jüngsten F1-Motorengeneration nie ein Geheimnis gemacht. Wäre es nach dem früheren Rennfahrer gegangen, würden sich die Fans noch heute an den herrlich hochdrehenden, ohrenbetäubend kreischenden Saugmotoren erfreuen. Die neuen Turbos wurden auf Drängen der FIA und der Autohersteller eingeführt. Zum Ärger der Fans.

Aus Renault-Kreisen ist zu vernehmen, dass in Sachen Standfestigkeit Fortschritte gemacht worden sind. Die sind auch dringend notwendig. Denn erlaubt sind 2018: Drei Verbrennungsmotoren, drei MGU-H, drei Turbolader, aber nur zwei MGU-K, zwei Batterien und zwei Kontroll-Einheiten!

Horner spürte, dass Renault es nicht leicht haben wird, diese Ziele zu erreichen. Daher machte er innerhalb der Strategiegruppe Druck, beim Stand 2017 zu bleiben – also vier Antriebseinheiten pro Fahrer und Saison.

Horner gab zu: «Ich habe im Rahmen der Sitzungen der Strategiegruppe versucht, die Regel von drei Aggregaten pro Saison zu kippen. Aber ich hatte nicht genügend Unterstützung. Vielleicht haben andere Teamchefs mehr Einsicht, wenn auch sie von Strafen betroffen sind. Bei der Einschränkung der Teile geht es ja ums Sparen. Aber wenn die Teams ohnehin fünf Elemente brauchen, sparen wir doch nichts.»

Für den früheren Formel-1-Fahrer Marc Surer steht fest: «Wenn er das Auto dazu hat, kann Max Verstappen schon nächstes Jahr die Weltmeisterschaft gewinnen. Aber das hängt zu grossen Teilen von Motorlieferant Renault ab. Nur wenn sie den Leistungsnachteil im Winter markant verringern, ist er definitiv ein Kandidat.»

Die wichtigsten Termine 2018

Wintertests
26. Februar bis 1. März: Circuit de Barcelona-Catalunya
6. bis 9. März: Circuit de Barcelona-Catalunya

Testfahrten innerhalb der Saison
15./16. Mai: Circuit de Barcelona-Catalunya
31. Juli/1. August: Hungaroring

Formel-1-WM
25. März: Australien (Melbourne)
8. April: Bahrain (Sakhir)
15. April: China (Shanghai)
29. April: Aserbaidschan (Baku)
13. Mai: Spanien (Barcelona)
27. Mai: Monaco (Monte Carlo)
10. Juni: Kanada (Montreal)
24. Juni: Frankreich (Le Castellet)
1. Juli: Österreich (Spielberg)
8. Juli: Grossbritannien (Silverstone)
22. Juli: Deutschland (Hockenheim)
29. Juli: Ungarn (Budapest)
26. August: Belgien (Spa-Francorchamps)
2. September: Italien (Monza)
16. September: Singapur
30. September: Russland (Sotschi)
7. Oktober: Japan (Suzuka)
21. Oktober: USA (Austin)
28. Oktober: Mexiko (Mexiko-Stadt)
11. November: Brasilien (São Paulo)
25. November: Abu Dhabi (Insel Yas)

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