15 bis 18 Rennen: Träumt Formel-1-CEO Chase Carey?

Von Mathias Brunner
Die Formel 1 will Anfang Juli auf dem Red Bull Ring fahren

Die Formel 1 will Anfang Juli auf dem Red Bull Ring fahren

​Formel-1-CEO Chase Carey glaubt, dass die Königsklasse ihren Fans ab Juli wieder Rennen bieten kann. Das Problem für den US-Amerikaner: Der Kampf gegen den Virus SARS-CoV-2 ist nicht berechenbar.

Chase Carey (66) hat am 27. April in sehr groben Zügen umrissen, wie ein WM-Programm 2020 noch aussehen könnte. Der US-Amerikaner spricht dabei von regional gegliederten Abschnitten der Weltmeisterschaft. «Der Plan besteht darin, dass wir in den Monaten Juli, August und September in Europa Rennen austragen, angefangen in Österreich am 5. Juli. Im September, Oktober und November wollen wir in Eurasien, Asien und Amerika fahren, bevor die Saison im Dezember in der Golfregion zu Ende ginge, mit Bahrain und Abu Dhabi.»

Carey bleibt absichtlich vage, was den genauen Ablauf angeht. «Wir werden einen entsprechenden WM-Kalender veröffentlichen, sobald wir mehr Antworten haben.»

Klar ist, dass die Formel 1 am 5. Juli auf dem Red Bull Ring in der Steiermark den WM-Auftakt zeigen will. Eine Woche später soll ein zweites Rennen folgen, ebenfalls in Österreich. Danach will Carey seinen Zirkus in Silverstone auftreten lassen, ebenfalls zwei Mal. Es ist vorgesehen, dass sämtliche Rennen in Europa unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden.

Möglich wäre Formel-1-Sport ab Juli nur mit Sondergenehmigungen. Momentan gelten in Europa Reiseverbote. Am 27. April diskutierten die für Tourismus zuständigen EU-Minister über die Situation und allfällige Grenzöffnungen. Am 28. April folgt eine Sitzung der EU-Innenminister über die koordinierte Lockerung von Binnengrenzen. Bei den Kriterien spielen eine Rolle – die allgemeine Gesundheitslage im jeweiligen Land, die Möglichkeit zur Überwachung (monitoring), die Kapazität der verschiedenen Gesundheitssysteme.

Der Schengenraum, der Bürgern freien Reiseverkehr erlaubt, ist suspendiert. EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton geht davon aus, dass die Grenzkontrollen in den Schengen-Staaten auch im Sommer weitergeführt werden.

Zuhausebleiben, Abstand halten, Masken tragen, Menschengruppen meiden, das sind alles Themen, die uns noch sehr lange begleiten werden. Weil sich der Kampf gegen Corona auf der ganzen Welt in jedem Land anders entwickelt, ist es unvorhersehbar, wann und wie sehr weitere Lockerungen möglich werden.

Die Flugbranche rechnet mit einer Normalisierung erst 2021, und kein Mensch kann heute sagen, wann und unter welchen Bedingungen wir künftig fliegen, wenn erste Lockerungen Schritt um Schritt und in aller Behutsamkeit umgesetzt werden. Nur mit ärztlichem Attest? Mit Temperaturmessungen vor Start und nach Ankunft?

Formel-1-CEO Chase Carey gibt zu: «Eines muss klar sein – alle unsere Pläne können sich ständig ändern, denn wir müssen uns um sehr viele Hürden kümmern, und keiner von uns weiss, was beim Kampf gegen diesen Virus noch alles auf uns zukommt.» Anders gesagt: Die Höhe der Hürden variiert ständig und neue können jederzeit auftauchen.

Wie sieht die Situation heute aus, was Ausgehsperren in den verschiedenen europäischen Ländern angeht, in welchen Carey 2020 noch Formel 1 fahren will?

Österreich

Die Alpenrepublik ist durch das kluge, entschlossene Vorgehen der Regierung am weitesten. Von April bis Mai wird der Lockdown schrittweise und mit Bedacht gelockert. Bundeskanzler Kurz in einer Rede am 27. April: «Wir befinden uns als eines der ersten Länder Europas auf dem Weg der Wiedereröffnung unserer Wirtschaft und unseres gesellschaftlichen Lebens. Je mehr jeder von uns, auch bei der Rückkehr in den Alltag, weiterhin Abstand hält, Mund-Nasen-Schutz trägt und auf die Hygiene achtet, desto rascher und unbeschadeter werden wir voranschreiten können.»

Grossbritannien

Lockdown vorderhand bis 7. Mai, Verlängerung vor dem Hintergrund der vielen Erkrankungen und Todesfälle sehr wahrscheinlich (mehr als 131.000 aktive Fälle, 20.732 Tote). Mitte April hat die Regierung erklärt, unter welchen Bedingungen an Lockerung gedacht werden könne; nämlich nur dann, wenn das Gesundheitswesen die Anzahl Intensivpatienten bewältigen werde, wenn die Todesfallrate markant und gleichmässig abfalle, wenn sich die Infektionsrate verringere, wenn mehr Tests für die Bevölkerung zur Verfügung stünden und wenn die Gefahr einer zweiten Infektionswelle nach bestem Wissen und Gewissen gebannt sei.

Ungarn

Ausgangsperre bis auf weiteres. Ministerpräsident Viktor Orban im staatlichen Radio: «Wir sollten nicht so schnell voranschreiten wie die Österreicher, aber auch nicht allzu sehr zurückbleiben. Es ist ein grosses Glück, dass Österreich neben uns liegt. Unser Nachbarland ist wie ein Labor für uns. Sie sind ein, zwei Wochen vor uns, und deshalb können wir bei der Planung unserer Massnahmen bereits ihre Erfahrungen einbauen», so der rechtskonservative Regierungschef.

Belgien

Belgien will seine Corona-Beschränkungen ab 3. Mai schrittweise lockern. Allerdings werden zahlreiche Restriktionen bestehen bleiben, wie Premierministerin Sophie Wilmès nach mehr als siebenstündigen Beratungen des Nationalen Sicherheitsrats in Brüssel mitteilte. Ab 4. Mai sind mehr öffentliche Verkehrsmittel im Einsatz. Am 11. Mai dürfen alle Geschäfte unter strengen Vorgaben wieder öffnen. Dann dürften auch Museen öffnen und Reisen innerhalb Belgiens würden erlaubt. Der Unterricht in Schulen soll vom 18. Mai an nach und nach wiederaufgenommen werden. Restaurants dürfen frühestens am 8. Juni öffnen, Cafés und Bars wohl noch später. Wilmès machte zugleich klar, dass alle Lockerungen von der weiteren Ausbreitung des Coronavirus abhängig seien. Grossveranstaltungen sind bis Ende August verboten.

Niederlande

Grundschulen und Kitas werden vom 11. Mai an wieder öffnen. Dabei sollen die Klassengrössen halbiert werden und der Unterricht für die Gruppen im täglichen Wechsel stattfinden. Ministerpräsident Mark Rutte: «Für weitreichende Lockerungen der Massnahmen gegen Corona ist es zu früh. Die aktuellen Zahlen geben Hoffnung, aber der Druck aufs Gesundheitssystem bleibt hoch. Ich begreife, dass die Ungeduld wächst, aber wir wissen – eine schnelle Lockerung kann dazu führen, dass sich der Virus sofort wieder verbreitet. Und dann haben wir eine zweite Welle.» Daher sind auch Massenveranstaltungen bis Herbst verboten.

Italien

Lockdown bis 3. Mai. Dann werden Industrie, Gewerbe und Baubranche hochgefahren. Sport im Freien wird wieder erlaubt sein. Die Reise- und Bewegungsfreiheit bleibt eingeschränkt, Reisen über die Grenzen der eigenen Region hinaus sind nur in Ausnahmefällen gestattet. Alle Beschränkungen aufzuheben, könne man sich nicht erlauben, sagte Regierungschef Giuseppe Conte in einer Fernsehansprache. Wer seine Wohnung verlässt, wird weiterhin ein Formular auf sich tragen müssen, auf dem vermerkt ist, warum genau er oder sie unterwegs ist. Auch der ganze Tourismussektor, Bars, Restaurants, Hotels – all diese Betriebe bleiben bis Anfang Juni weitgehend geschlossen. Ausländische Touristinnen und Touristen werden aber wohl auch darüber hinaus kaum ins Land kommen dürfen, so Conte. Ein herber Schlag für Italien, das vom Tourismus lebt.

Spanien

Ministerpräsident Pedro Sánchez sagte am 25. April in einer Fernsehansprache: «Wenn die Pandemie sich weiter in eine positive Richtung entwickelt, dann wird es ab 2. Mai erlaubt sein, für Individualsportarten oder Spaziergänge mit den Menschen, mit denen man zusammen wohnt, ins Freie zu gehen.» Er will bald einen Plan für weitere Lockerungen präsentieren.

Diese Beispiele aus Europa zeigen, wie unterschiedlich die verschiedenen Länder unterwegs sind und wie unklar die Lage bleibt. Und das gilt auch für die Überseerennen – von den komplexen Reiseverboten und Einreisesperren gar nicht erst zu reden.

Singapur hat klargemacht: Entweder der WM-Lauf findet am 20. September statt oder gar nicht. Der Stadtstaat kämpft derzeit mit einer zweiten Infektionswelle, weil die Regierung die Situation in den rund 40 Wohlkomplexen mit einer halben Million Billigarbeiter unterschätzt hat. Der Lockdown ist bis 1. Juni verlängert. Ob Singapur mit Vietnam verkettet wird, ist ungewiss. Vietnam hat mit ersten Lockerungen begonnen. Die Landesgrenzen bleiben geschlossen.

Kanada-GP-Promoter François Dumontier hat klargemacht: «Das Rennen muss bis Spätsommer nachgeholt werden, sonst ist es hier in Montreal zu kalt.» Das verunmöglicht ein Amerika-Paket aus Kanada, USA und Mexiko, wie es Carey geplant hatte. Die Menschen in Kanada sind in sieben Provinzen angehalten, bis auf weiteres zuhause zu bleiben. Die Grenzen sind geschlossen.

Carey will Sotschi und Baku bündeln. In Russland herrscht in zahlreichen Städten und Regionen Ausgangssperre. In dem Land sind inzwischen mehr Corona-Infektionen erfasst als im schwer gezeichneten Nachbarland China. Mehr als 87'000 Personen steckten sich amtlichen Angaben zufolge mit SARS-CoV-2 an. Betroffen ist vor allem die Hauptstadt Moskau. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, dass in Russland wahrscheinlich Mitte Mai ein Plateau bei den Infektionszahlen erreicht werde. Fortsetzung völlig ungewiss.

In Aserbaidschan ist der Lockdown bis 4. Mai verlängert worden.

Carey will auch Rennen in Asien zusammenfassen, also Japan, Vietnam und China in Folge oder nur Japan und China, falls Vietnam zu Singapur rückt. Erste Lockerungen in Japan kamen zu früh, auf der nördlichen Insel Hokkaido musste auf eine zweite Infektionswelle reagiert werden. Der Lockdown gilt jedoch nicht fürs ganze Land. Der derzeit geltende Notstand beinhaltet keine harten Ausgangssperren wie vielerorts in Europa. Entsprechend strömen in Japan weiterhin viele Pendlerinnen und Pendler zur Arbeit, wenn auch mit Gesichtsmasken in etwas weniger gefüllten Zügen.

In Mexiko sind Schutzmassnahmen bis Ende Mai verlängert worden, eine Exit-Strategie ist nicht bekannt.

Die Lage in den USA ist je nach Bundesstaat komplett verschieden. Es gibt kein landesweites Konzept für Lockerungen. Und selbst Texas mit der Formel-1-Strecke Austin ist ein Flickenteppich, was Vorschriften und Lockerungen angeht. Gouverneur Greg Abbott hat zwar am 13. März den Notfall ausgerufen, aber er hat Städten und Landkreisen viele Freiheiten erlaubt, in welcher Art Massnahmen umgesetzt werden sollen.

In den Vereinigten Arabischen Emiraten werden erste Lockerungsmassnahmen umgesetzt, in Form von Maskenpflicht, einer begrenzten Zeit draussen und dem Einhalten strikter Abstandsregeln. Die Anzahl Kunden in den Läden ist begrenzt (abhängig von der Ladenfläche). Bislang durften die Araber ihr Zuhause nur mit schriftlicher Bewilligung verlassen. In Bahrain wurden erste Lockerungen ab 9. April umgesetzt: Läden gingen wieder auf. Es herrscht Schutzmaskenpflicht.

Fazit: Die Logistik der Formel 1, mit diesem Zirkus um die Welt zu ziehen, war schon vor Corona eine Herkulesaufgabe. Nun muss für jedes geplante Rennen im Detail mit der Regierung abgeklärt werden, unter welchen Bedingungen Fachkräfte überhaupt einreisen dürfen (oder aus ihrem Land ausreisen dürfen). Der GP-Tross soll nur mit minimaler Belegschaft reisen und kontrolliert (Stichwort Charterflüge).

Es hat einen guten Grund, wieso sich Carey zu Einzelheiten derzeit nicht äussern will – der Amerikaner hat auf viele Fragen schlicht und ergreifend keine Antworten.

Carey sagt: «Wir arbeiten an sehr vielen Aspekten, angefangen bei den ganzen Abläufen für die Rennställe vor dem Hintergrund, unter welchen Schutzmassnahmen in den verschiedenen Ländern gearbeitet wird. Gesundheit und Sicherheit haben weiterhin Priorität. Wir treiben die Pläne zur Durchführung eines WM-Laufs nur dann voran, wenn wir davon überzeugt sind, dass wir die Menschen schützen und das Risiko minimieren können.»

In den kommenden Wochen will die Formel-1-Führung Schritt um Schritt erklären, wie es weitergeht.

Der gegenwärtige Formel-1-Kalender 2020

05. Juli: Spielberg, Red Bull Ring/A
19. Juli: Silverstone, Silverstone Circuit/GB
02. August: Mogyoród bei Budapest, Hungaroring/H
30. August: Francorchamps, Circuit de Spa-Francorchamps/B
06. September: Monza, Autodromo Nazionale/I
20. September: Singapur, Marina Bay Street Circuit/SGP
27. September: Sotschi, Sochi Autodrom/RUS
11. Oktober: Suzuka, Suzuka Circuit/J
25. Oktober: Austin, Circuit of the Americas/USA
1. November: Mexico City, Autódromo Hermanos Rodríguez/MEX
15. November: São Paulo, Autódromo José Carlos Pace/BR
29. November: Abu Dhabi, Yas Marina Circuit/UAE

Ohne neuen Termin
Shanghai, Shanghai International Circuit/RCH
Bahrain, Bahrain International Circuit/BRN
Hanoi, Street Circuit Hanoi/VN
Zandvoort, Circuit Park Zandvoort/NL
Montmeló bei Barcelona, Circuit de Barcelona-Catalunya/E
Aserbaidschan, Baku City Circuit/AZ
Montreal, Circuit Gilles Villeneuve/CDN

Abgesagt
Melbourne, Albert Park Circuit/AUS
Monte Carlo, Circuit de Monaco/MC
Le Castellet, Circuit Paul Ricard/F

Das ursprüngliche WM-Programm

15. März: Melbourne, Albert Park Circuit/AUS
22. März: Bahrain, Bahrain International Circuit/BRN
5. April: Hanoi, Street Circuit Hanoi/VN
19. April: Shanghai, Shanghai International Circuit/RCH
3. Mai: Zandvoort, Circuit Park Zandvoort/NL
10. Mai: Montmeló bei Barcelona, Circuit de Barcelona-Catalunya/E
24. Mai: Monte Carlo, Circuit de Monaco/MC
7. Juni Aserbaidschan, Baku City Circuit/AZ
14. Juni: Montreal, Circuit Gilles Villeneuve/CDN
28. Juni: Le Castellet, Circuit Paul Ricard/F
5. Juli: Spielberg, Red Bull Ring/A
19. Juli: Silverstone, Silverstone Circuit/GB
2. August: Mogyoród bei Budapest, Hungaroring/H
30. August: Francorchamps, Circuit de Spa-Francorchamps/B
6. September: Monza, Autodromo Nazionale/I
20. September: Singapur, Marina Bay Street Circuit/SGP
27. September: Sotschi, Sochi Autodrom/RUS
11. Oktober: Suzuka, Suzuka Circuit/J
25. Oktober: Austin, Circuit of the Americas/USA
1. November: Mexico City, Autódromo Hermanos Rodríguez/MEX
15. November: São Paulo, Autódromo José Carlos Pace/BR
29. November: Abu Dhabi, Yas Marina Circuit/UAE

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