Formel 1: «Darauf kann man nicht stolz sein»

Strafen-Flut: FIA überfordert, Timo Glock hat Lösung

Von Mathias Brunner
​Die FIA-Regelhüter mussten zugeben: Es war im Österreich-GP nicht mehr möglich, alle Vergehen in Sachen Pistengrenzen zeitnah zu prüfen. Eine andere Lösung muss her. Ex-GP-Fahrer Timo Glock bietet eine an.

2. Juli 2023: Kurz vor 16.30 Uhr kreuzte Formel-1-Weltmeister Max Verstappen die Ziellinie des Grossen Preises von Österreich und gewann sein 42. Rennen in der Königsklasse. Aber erst um 21.30 Uhr wurde bekannt, wie die Top-Ten wirklich aussehen.

Der Grund: Die FIA-Regelhüter mit den Rennkommissaren Garry Connelly (Australien), Mathieu Remmerie (Belgien), Enrique Bernoldi (Brasilien) und Walter Jobst (Österreich) versanken in Arbeit, denn sie mussten – nach eigenen Angaben – mehr als 1200 Fälle von Verletzung der Pistengrenzen begutachten und auf Strafwürdigkeit einschätzen; dies nach einem Protest von Aston Martin. Deren Team-Manager Andy Stevenson monierte, dass die Rennleitung während des WM-Laufs gar nicht die Zeit gehabt habe, um alle potentiellen Vergehen zu prüfen. Die Rennkommissare gaben zu, das sei korrekt und schauten sich alles nochmals an.

Zur Erinnerung: Gemäss Reglement darf ein Fahrer die weisse Linie entlang der Rennstrecke vier Mal ungestraft überschreiten, das vierte Mal ist als letzte Warnung in Form der diagonal geteilten, schwarz-weissen Flagge definiert. Danach gibt es eine Strafe: fünf Sekunden.

Um 21.30 Uhr am Abend des 2. Juli wurden acht Fahrer nachträglich bestraft:

Carlos Sainz (Ferrari): 10 Sekunden
Lewis Hamilton (Mercedes): 10 Sekunden
Pierre Gasly (Alpine): 10 Sekunden
Alexander Albon (Williams): 10 Sekunden
Esteban Ocon (Alpine): 30 Sekunden
Logan Sargeant (Williams): 10 Sekunden
Nyck de Vries (AlphaTauri): 15 Sekunden
Yuki Tsunoda (AlphaTauri): 5 Sekunden

Der 91-fache GP-Teilnehmer Timo Glock war in Spielberg für die deutschen Kollegen von Sky an der Arbeit und sagt über den Strafen-Hagel: «Was da passiert ist, das ist nicht gut für den Sport. Es darf einfach nicht sein, dass die Fans am Ende nicht wissen, wie das Klassement aussieht. Da muss dringend eine Lösung für Strecken gefunden werden, auf welchen das Thema Pistengrenzen solch ein Problem ist wie auf dem Red Bull Ring.»

Der 41-Jährige Deutsche weiter: «Da waren sehr viele Pistengrenzen-Vergehen dabei, bei denen wir über eine Entscheidung im Millimeter-Bereich sprechen, ein Raum, der dem Fahrer überhaupt keinen Vorteil bringt. Ich finde, solche Fälle muss man anders abwägen. Letztlich hat Rennleiter Niels Wittich hier zum Beginn der GP-Saison 2023 ein Reglement aufgestellt, an das man sich hartnäckig hält.»

Timo Glock, WM-Zehnter von 2008 und 2009, gibt zu: «Natürlich ist es brutal schwer, jederzeit 20 Autos zu überwachen. Da kann es passieren, dass nach ein paar Runden das menschliche Auge ein bisschen nachlässt und man nicht mehr hinterherkommt.»

Ein Lösungsansatz gemäss Glock: «Wäre da eine Mauer, ein Kiesbett oder schlicht Gras, dann hätten wir das Problem nicht. Da würde jeder Fahrer ebenfalls ans Limit gehen, sich aber eine Sicherheitsmarge lassen, weil ein Fehler sofort bestraft würde. Wir sehen das auf Strecken wie Monaco oder Singapur: Da reizen die Piloten das Limit nicht aus, weil ihre Autos sonst Leitschienen oder Betonmauern berühren.»

Glock weist darauf hin: «Das Hauptproblem sind diese Doppel-Randsteine. Die laden die Fahrer geradezu ein, ihre Autos so weit nach aussen tragen zu lassen. Wäre dahinter ein Kiesbett oder Gras, gäbe es das Problem nicht. In der Formel 1 sind auch diese gelben, so genannten Sausage-Kerbs ausprobiert worden, also diese Buckel aus Kunststoff, aber dabei sind die Autos kaputt gegangen, Aufhängungen und Böden.»

«Das Ganze ist ein wirklich schwieriges Thema, aber klar ist – die FIA muss sich Gedanken darüber machen, wie das besser gelöst werden kann. In meinen Augen wäre für die Formel 1 ein Kiesbett am Ausgang solcher Kurven die beste Lösung.»

Österreich-GP, Red Bull Ring

01. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing, 1:25:33,607 h
02. Charles Leclerc (MC), Ferrari, +5,155 sec
03. Sergio Pérez (MEX), Red Bull Racing, +17,188 sec
04. Lando Norris (GB), McLaren, +26,327 sec
05. Fernando Alonso (E), Aston Martin, +30,317 sec
06. Carlos Sainz (E), Ferrari, +31,377 sec
07. George Russell (GB), Mercedes, +48,403 sec
08. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, +49,196 sec
09. Lance Stroll (CDN), Aston Martin, +59,043 sec
10. Pierre Gasly (F), Alpine, +1:07,667 sec
11. Alex Albon (T), Williams, +1:19,767
12. Guanyu Zhou (RCH), Alfa Romeo, +1 Runde
13. Logan Sargeant (USA), Williams, +1 Runde
14. Esteban Ocon (F), Alpine, +1 Runde
15. Valtteri Bottas (FIN), Alfa Romeo, +1 Runde
16. Oscar Piastri (AUS), McLaren, +1 Runde
17. Nyck de Vries (NL), AlphaTauri, +1 Runde
18. Kevin Magnussen (DK), Haas, +1 Runde
18. Yuki Tsunoda (J), AlphaTauri, +1 Runde
Out
Nico Hülkenberg (D), Haas, Motorschaden

WM-Stand (nach 9 von 22 Rennen)

Fahrer
01. Verstappen 229 Punkte
02. Pérez 148
03. Alonso 131
04. Hamilton 106
05. Sainz 82
06. Leclerc 72
07. Russell 72
08. Stroll 44
09. Ocon 31
10. Norris 24
11. Gasly 16
12. Hülkenberg 9
13. Albon 7
14. Piastri 5
15. Bottas 5
16. Zhou 4
17. Tsunoda 2
18. Magnussen 2
19. De Vries 0
20. Sargeant 0

Konstrukteurspokal
01. Red Bull Racing 377 Punkte
02. Mercedes 178
03. Aston Martin 175
04. Ferrari 154
05. Alpine 47
06. McLaren 29
07. Haas 11
08. Alfa Romeo 9
09. Williams 7
10. AlphaTauri 2

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