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Suzuki: Suppo und Sahara wollten Team weiterführen

Von Günther Wiesinger
Projektleiter Shinichi Sahara und Livio Suppo haben bei der Dorna angefragt, ob sie die beiden Teamplätze übernehmen können, wenn sie das Suzuki-Material kaufen. Aber sie holten sich eine Abfuhr.

Vor genau fünf Wochen platzte beim Montag-Test in Jerez die Bombe: Das Suzuki-Ecstar-Teammanagement teilte zuerst den beiden Piloten Joan Mir und Alex Rins und nachher der gesamten Mannschaft mit, dass sich Suzuki per Saisonende aus der MotoGP-WM zurückziehen wird.

Seither wird gerätselt, wer die beiden vakanten Teamplätze erhalten wird. Doch die Dorna wird die beiden «Slots» von Suzuki vorläufig nicht neu vergeben, denn sie sind für ein Motorradwerk vorgesehen und nicht für ein Privatteam, das womöglich von der Moto3-, Moto2- oder Superbike-WM kommt. Die Dorna hat die finanzschwachen MotoGP-Teams alle eliminiert – von IodaRacing über AB-Motorsport bis zu Paul Bird Motorsport und Forward. Marc VDS legte die zwei Plätze nach 2018 nach den finanziellen Ungereimtheiten in Zusammenhang mit Teamchef Michael Bartholemy zurück. Und die beiden Plätze von Aspar Martinez wurden nach der Saison 2018 an Petronas-Yamaha übergeben. Inzwischen hat diesen Vertrag Razlan Razali mit seinem WithU-RNF-Team übernommen, das sich für 2023 und 2024 mit Aprilia Racing verbündet hat.

Dorna-CEO Carmelo Ezpeleta macht auch kein Geheimnis daraus, dass er den bis Ende 2026 laufenden Fünf-Jahres-Vertrag mit der Suzuki Motor Corporation nicht ohne Strafzahlung auflösen wird.

Erste Verhandlungen zu diesem Thema haben in Madrid zwischen dem Suzuki-Vorstand und den Dorna-Verantwortlichen bereits stattgefunden.

Die Dorna wird auch keinen Ausstieg auf Raten akzeptieren, wie ihn Suzuki nach der Saison 2010 vollzogen hat, als für 2011 nur noch ein Fahrer (Álvaro Bautista) in der 800-ccm-MotoGP-Klasse eingesetzt wurde, die 2012 durch die Einliter-Kategorie ersetzt wurde.

Damals machte die Dorna noch gute Miene zum bösen Spiel, weil Suzuki ankündigte, man werde statt der missratenen GSV-R-Maschine mit V4-Motor eine neue GSX-RR-Suzuki mit Reihenvierzylindermotor bauen, mit der die Japaner dann tatsächlich 2015 in die 1000-ccm-Klasse zurückkehrten.

SPEEDWEEK.com hat aus zuverlässiger Quelle erfahren: Suzuki-Projektleiter Shinichi Sahara und Teamprinzipal Livio Suppo haben bei der Dorna angefragt, ob sie die zwei Suzuki-Plätze übernehmen könnten, um den Rennstall in Eigenregie weiterzuführen. Sahara und Suppo wollten das gesamte MotoGP-Material von Suzuki kaufen und 2023 mit eingeschränkter Weiterentwicklung einsetzen.

Doch für Ezpeleta ist das Kapitel Suzuki nach dem überraschend Ausstieg (nach 1 von 5 geplanten Jahren) in der MotoGP erledigt. Er will keine halbherzigen Konzepte und plant für 2023 ein MotoGP-Feld mit elf Teams und 22 Motorrädern, wie es auch 2019, 2020 und 2021 der Fall gewesen ist.

Livio Suppo war früher bei Ducati und HRC tätig und hat vor der Saison 2022 bei Suzuki Ecstar mit einem Jahr Verspätung den verwaisten Platz von Teammanager Davide Brivio (er ging im Januar 2021 in die Formel 1 zu Alpine) übernommen.

Suppo dementierte gegenüber SPEEDWEEK.com die erwähnten Pläne zur Übernahme der Suzuki-Slots, aus denen bei der Dorna kein Geheimnis gemacht wird. «Es stimmt nicht, dass wir diese Absicht hatten», versicherte Suppo, der bei Suzuki langfristige Pläne hatte und kurz vor dem Bekanntwerden des Ausstiegs noch Konzepte und Budgets für ein Kundenteam schmiedete.

Auch der ehemalige Suzuki-Teammanager Davide Brivio, 2020 mit Joan Mir MotoGP-Weltmeister geworden, scheint von den Rettungsabsichten Suppos und Saharas Wind bekommen zu haben. «Dass alles zu Ende geht, ist traurig für alle Leute, die dort arbeiten. Ich denke, sie suchen eine Lösung. Suzuki zieht sich zurück, aber es wäre schön, wenn jemand das Team retten könnte», sagte er im Interview mit Sky Sport Italia. 

Für die gescheiterten Absichten von Sahara und Suppo existiert übrigens in der MotoGP ein Präzedenzfall, der noch nicht lange zurückliegt.

Der Konzern Kawasaki Heavy Industries zog sich nach der Saison 2008 wegen der globalen Wirtschaftskrise (und wegen akuter Erfolglosigkeit) aus der MotoGP-WM zurück. Techniker Andrea Dosoli übernahm danach das Material der MotoGP-Kawasaki ZX-RR sowie Fahrer Marco Melandri und setzte das Bike unter der Bezeichnung Hayate im Jahr 2009 ein. Melandri schaffte in Le Mans Platz 3 und Rang 10 in der WM-Wertung.

Kawasaki untersagte dem Hayate-Team damals sogar, irgendwo das Kawasaki-Logo zur Schau zu stellen.

Solche Management-Buyouts haben in der Formel 1 stattgefunden. Nach der Saison 2008 sperrte Honda den Formel-1-Rennstall zu und verkaufte ihn für den kolportierten Preis von 1 Pfund an Konstrukteur Ross Brawn. Der Engländer gründete den Rennstall Brawn-GP, stieg auf Mercedes-Motoren um – und gewann 2009 mit Jenson Button die F1-Weltmeisterschaft.

Honda finanzierte den ganzen Spaß mit 100 Millionen Pfund, weil sie dadurch der wesentlich höheren Vertragsstrafe von Bernie Ecclestone entgingen, genauso wie Ford nach der Saison 2004, als der US-Konzern von Bill Ford junior das Jaguar-F1-Team zu einem überschaubaren Preis an Red Bull Racing übergab – samt Cosworth-Motoren.

BMW handhabte den Ausstieg später ähnlich – und finanzierte eine komplette Rennsaison für das Schweizer Team von Vertragspartner Peter Sauber.

«In der MotoGP existiert keine so Business-orientierte Dynamik wie in der Formel 1», ergänzte Alpine-F1-Manager Davide Brivio. «In der Formel 1 würde jemand das Team kaufen. Jemand würde diese Gelegenheit ergreifen. Aber in der MotoGP ist die Lage anders. Aber wer weiß, was passiert. Vielleicht findet sich jemand, der aus der Situation Profit zieht. Es wäre eine großartige Gelegenheit für jemand, der ein MotoGP-Projekt beginnen möchte.»

Aber hier irrt Brivio: Suzuki kann das Team nicht verkaufen. Wenn Suzuki den Vertrag mit der Dorna auflöst, fallen die beiden Plätze an die Dorna, den Inhaber der kommerzielle GP-Rechte, zurück. 


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