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Ferrari-Teamchef Fred Vasseur: 8 Baustellen für 2023

Von Mathias Brunner
Es gibt viel zu tun bei Ferrari

Es gibt viel zu tun bei Ferrari

​Seit 13. Dezember ist es von Ferrari bestätigt: Der neue Teamchef des berühmtesten Rennstalls der Welt heisst Fred Vasseur. Auf den 54-jährigen Franzosen kommt eine Menge Arbeit zu, hier die wichtigsten Baustellen.

Ferrari ist seit Kimi Räikkönen 2007 ohne Fahrer-WM-Titel, seit 2008 haben die Italiener keinen Konstrukteurs-Pokal mehr gewonnen. In der Saison 2022 war ein Trend aus den vergangenen Jahren erneut zu erkennen – nach gutem Saisonstart war irgendwann die Luft raus. Mattia Binotto kündigte, bevor er gefeuert werden musste.

Seit 13. Dezember ist bestätigt: Der neue Heilsbringer in Maranello heisst Fred Vasseur, und der 54-jährige Franzose wird die Ärmel sehr weit hoch krempeln müssen, um die zahlreichen Baustellen bei den Italienern aus der Welt zu schaffen.

Baustelle 1: Entwicklung
Egal ob mit Fernando Alonso, mit Sebastian Vettel oder mit Charles Leclerc – letztlich zerschellten die Titelhoffnungen von Ferrari daran, dass die Konkurrenz effizienter entwickelte. Ferrari begann 2022 mit dem unumstritten schnellsten Auto, aber dann fielen die Italiener hinter Red Bull Racing zurück, gegen Ende der Saison mussten sich die Roten auch von Mercedes auf der Nase herumtanzen lassen.

Baustelle 2: Standfestigkeit
Motorschaden bei Charles Leclerc in Spanien (in Führung liegend), Motorschaden für den Monegassen auch in Baku, damit war auch das Rennen in Kanada kompromittiert, weil Charles nach dem Einbau neuer Motorteile nach hinten rücken musste. Spektakuläres Motorfeuer bei Carlos Sainz auf dem Red Bull Ring.

Beim Grossen Preis von Mexiko wirkte Ferrari zahnlos, und endlich gab Teamchef Mattia Binotto erstmals zu, was wir in der Höhenluft von Mexiko-Stadt geahnt hatten. «Wir mussten Leistung zurückfahren, um in Sachen Standfestigkeit auf der sicheren Seite zu bleiben.»

Baustelle 3: Rennstrategie
In Monaco verlor Lokalheld Charles Leclerc wegen einer ungeschickten Boxenstopp-Strategie die Führung. In England holte Ferrari Leclerc unter Safety-Car nicht an die Box, erneut fiel der Monegasse zurück. Ausgerechnet Ferrari-Stallgefährte Carlos Sainz gewann.

In Ungarn erhielt Leclerc den harten Reifen mit auf den Weg, obschon längst klar war, dass diese Mischung an jenem Tag eine schlechte Wahl ist. In Brasilien wurde Leclerc in der Quali auf Intermediates auf die Bahn geschickt, alle anderen Fahrer waren auf Slicks.

Das sind nur einige Beispiele für Patzer am Kommandostand, dazu kamen endlose Diskussionen am Funk zwischen Fahrer und Technikern. Fred Vasseur wird mit all dem aufräumen müssen.

Baustelle 4: Boxenstopps
Gewiss, auch bei anderen Rennställen sitzt beim Reifenwechsel nicht jeder Handgriff. Aber Ferrari taucht in der Jahresliste von F1-Logistiker DHL in Sachen Reifenwechsel-Speed nur auf Rang 4 auf, Klassenbester ist Red Bull Racing. Das übelste Beispiel: Als Carlos Sainz in Zandvoort an die Box kam, lagen für den Spanier die falschen Reifen bereit. Mehrfach wurden in der Saison Fahrer zu spät an die Box gerufen, so wie in Brasilien Leclerc.

Baustelle 5: Hackordnung
Wir haben den grössten Respekt vor Carlos Sainz, immerhin hat der 28-jährige Madrilene in seiner ersten Saison 2021 mit Ferrari gleich mal Leclerc hinter sich gelassen. Aber mit dem 2022er Auto kam Charles besser zurecht, Leclerc war der Einzige, der Verstappen in Sachen Speed regelmässig die Stirn bieten konnte. Ferrari muss sich den Vorwurf gefallen lassen: Hätten die Italiener von Anfang an auf Leclerc gesetzt, hätte man länger vom Titel träumen dürfen.

Baustelle 6: Psychologie
Wenn wir schon bei Charles Leclerc sind: Das Verhältnis zwischen Mattia Binotto und seinem Star-Fahrer erkaltete im Sommer; der Monegasse ist einer jener Fahrer, die das Gefühl vermittelt bekommen müssen, wirklich geliebt zu werden, dann kann er sich ideal entfalten. Vasseur ist seit Jahren eng mit Charles befreundet und gilt als Piloten-Versteher.

Baustelle 7: Mentalität
Es ist Mattia Binotto an der Spitze des Ferrari-Rennstalls nicht gelungen, einen Hunger zu erzeugen, wie er die Teams von Mercedes-Benz und Red Bull Racing beseelt. Die Teamchefs Toto Wolff und Christian Horner haben in Sachen Einstellung fast identische Worte gesagt: «Wir gehen jedes Rennen an, als hätten wir noch keinen einzigen Grand Prix gewonnen.»

Es reicht nicht, das grosse Ferrari zu sein, die Mitarbeiter müssen den Erfolg mit jeder Faser ihres Körpers wollen. Sieger-Mentalität beginnt im Kopf. Fred Vasseur muss das bei seinen Mitarbeitern verinnerlichen.

Baustelle 8: Politik
Die vielleicht kniffligste aller Baustellen für Fred Vasseur. Der langjährige Ferrari-Designer Aldo Costa, der sich 2012 zu Mercedes abseilte, hat gesagt: «Bei Ferrari bist du unter ständiger Beobachtung. Die Medien machen Druck, die Tifosi machen Druck, die Aktionäre machen Druck, der Barista macht Druck, bei dem du am Morgen einen Espresso trinkst.»

Der Druck von aussen, durch die hohen Erwartungen der Tifosi und durch eine gnadenlose Presse, das ist das Eine. Das Andere ist der interne Druck. Es braucht eine klare Linie des Ferrari-Präsidenten John Elkann, es braucht einen Benedetto Vigna als Ferrari-CEO, der sich nicht in die Belange des GP-Rennstalls einmischt. Aussagen aus der Führungsetage dürfen auf dem dünnen Eis der italienischen Medienlandschaft nicht den leisesten Knackser erzeugen.

Die wichtigsten Ferrari-Rekorde

Fahrer-WM-Titel (15)
Alberto Ascari 1952 und 1953
Juan Manuel Fangio 1956
Mike Hawthorn 1958
Phil Hill 1961
John Surtees 1964
Niki Lauda 1975 und 1977
Jody Scheckter 1979
Michael Schumacher 2000 bis 2004
Kimi Räikkönen 2007

Konstrukteurs-Pokale (16)
1961
1964
1975
1976
1977
1979
1982
1983
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2007
2008

Grand Prix-Einsätze (1052)

Pole-Positions (242)

Schnellste Rennrunden (259)

Siege (242)

Doppelsiege (85)

Dreifachsiege (8)

Vierfachsiege (2)

Siege in Folge (14)
Von der Schweiz 1952 bis Schweiz 1953

Podestränge (798)

WM-Punkte (9266)

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