Strafe für Sebastian Vettel: Ganz falsche Sichtweise?

Von Mathias Brunner
Sebastian Vettel kreuzte im Ferrari 2019 in Kanada als Erster die Ziellinie. Aber er gewann nicht, weil er eine Zeitstrafe erhielt. Für Rennfahrer und FIA-Rennkommissar Emanuele Pirro begannen wilde Tage.

Der Italiener Emanuele Pirro ist ein Racer durch und durch: In der Formel 1 hat er nur 37 WM-Läufe bestritten, selten mit gutem Material. Fast unbeachtet blieb seine Arbeit mit Honda zur Entwicklung jener McLaren-Honda, mit welchen Ayrton Senna und Alain Prost die Gegner in Grund und Boden fuhren. Mit Audi ist Pirro fünffacher Le Mans-Sieger geworden. Daneben arbeitet Emanuele immer wieder als Rennkommissar bei Formel-1-Läufen.

Eines jener GP-Wochenenden wird der heute 59-jährige Römer nie vergessen, wie er im Formel-1-Podcast Beyond the Grid erzählt hat. Beim Grossen Preis von Kanada 2019 in Montreal geriet Leader Sebastian Vettel mit seinem Ferrari neben die Bahn, die Art und Weise, wie er auf die Bahn zurückkam und Verfolger Lewis Hamilton ausweichen musste, bewog die Rennpolizei zu einer Strafe – fünf Sekunden, auf die Renndauer zugerechnet. Ergebnis: Vettel kreuzte als Erster die Ziellinie, aber der Sieger hiess Hamilton.

Pirro blickt zurück: «Was dann folgte, war überaus unangenehm; ich würde sogar so weit gehen und behaupten – es hat mein Leben verändert. Meine Beziehung und mein Umgang mit sozialen Netzwerken sind heute grundlegend anders.»

«Soziale Plattformen verstärken meiner Ansicht nach gewisse Charaktereigenschaften, wenn wir frustriert sind und uns beklagen. Social Media geben den Menschen ein Ventil, um Dampf abzulassen, leider oft in Unkenntnis der wahren Sachlage.»

«Im Falle Vettel stört mich nicht einmal am meisten die Art und Weise, wie ich beschimpft worden bin. Es ärgert mich mehr, dass die Formel 1 damals zum Verlierer wurde – aufgrund einer unkorrekten Sichtweise auf denVorfall. Für uns Rennkommissare war die Entscheidung klar.»

Pirro kann als Rennfahrer die Leidenschaft der Fans nachvollziehen, «aber genau dies ist der Grund, wieso mich Kanada 2019 noch immer beschäftigt. Denn ich liebe unseren Sport. Aber letztlich ist es so: Der richtige Mann muss gewinnen, nicht jener Pilot, den die meisten gerne als Sieger sehen würden.»

«Die Sympathien lagen damals auf der Seite von Vettel, weil Sebastian durch eine schwierige Phase seiner Karriere ging. Sein Sieg wäre eine wunderbare Formel-1-Geschichte gewesen. Aber wenn du im Fussball ein Tor schiesst, leider aus einer Abseits-Position, dann kann der Treffer eben nicht gegeben werden. Und einer muss solche Entscheidungen treffen, damit der Sport fair bleibt.»

Nach dem Grossen Preis von Kanada 2019 fanden die meisten Fans und Fachleute: Die Fünfsekundenstrafe gegen Sebastian Vettel war zu streng. Formel-1-Champions wie Mario Andretti oder Nigel Mansell sprachen vielen Fans aus der Seele: «Das ist Rennsport, lasst die Piloten fahren!» Sie sprachen gar von einer Schande.

Die fünf Sekunden wurden in Montreal von den vier FIA-Kommissaren Emanuele Pirro (Italien), Gernd Ennser (Deutschland), Mathieu Remmerie (Belgien) und Mike Kaerne (Kanada) ausgesprochen. Pirro sagte in der Woche nach dem Vorfall: «Ich habe sehr viel Kritik und auch Beschimpfungen einstecken müssen, aber zum Glück gab es auch Unterstützung.»

«Es schmerzt mich, wenn ich die Worte von grossen Fahrern wie Andretti oder Mansell sehe. Wir müssen aber auch erkennen – sie stammen aus einer anderen Epoche des Motorsports. Die Welt hat sich verändert, und der Rennsport hat sich ebenfalls verändert. Wir haben unermüdlich an mehr Sicherheit im Sport gearbeitet, und dazu gehört eben auch, wie ein Rennen unserer Ansicht nach ablaufen sollte. Als Formel-1-Fan, als Rennsportanhänger, als Tifoso bin ich auch unglücklich, wie das alles geendet hat. Aber die Integrität des Sports muss über allem stehen.»

Russland-GP, Sotschi

01. Lewis Hamilton (GB), Mercedes W12, 1:29,48,467 h
02. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing RB16B-Honda, +52,445 sec
03. Carlos Sainz (E), Ferrari SF21, +1:00,062 min
04. Daniel Ricciardo (AUS), McLaren MCL35M-Mercedes, +1:04,457
05. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes W12, +1:08,706
06. Fernando Alonso (E), Alpine A521-Renault, +1:20,718
07. Lando Norris (GB), McLaren MCL35M-Mercedes, +1:24,371
08. Kimi Räikkönen (FIN), Alfa Romeo C41-Ferrari, +1:24,821
09. Sergio Pérez (MEX), Red Bull Racing RB16B-Honda, +1:28,279
10. George Russell (GB), Williams FW43B-Mercedes, +1:32,263
11. Lance Stroll (CDN), Aston Martin AMR21-Mercedes, +1 Runde
12. Sebastian Vettel (D), Aston Martin AMR21-Mercedes, +1 Runde
13. Pierre Gasly (F), AlphaTauri AT02-Honda, +1 Runde
14. Esteban Ocon (F), Alpine A521-Renault, +1 Runde
15. Charles Leclerc (MC), Ferrari SF21, +1 Runde
16. Antonio Giovinazzi (I), Alfa Romeo C41-Ferrari, +1 Runde
17. Yuki Tsunoda (J), AlphaTauri AT02-Honda, +1 Runde
18. Nikita Mazepin (RUS), Haas VF-21-Ferrari, +1 Runde
Out
Nicholas Latifi (CDN), Williams FW43B-Mercedes (Dreher)
Mick Schumacher (D), Haas VF-21-Ferrari (Hydraulik)

WM-Stand nach 15 von 22 Rennen

Fahrer
1. Hamilton 246,5 Punkte
2. Verstappen 244,5
3. Bottas 151
4. Norris 139
5. Pérez 120
6. Sainz 112,5
7. Leclerc 104
8. Ricciardo 95
9. Gasly 66
10. Alonso 58
11. Ocon 45
12. Vettel 35
13. Stroll 24
14. Tsunoda 18
15. Russell 16
16. Latifi 7
17. Räikkönen 6
18. Giovinazzi 1
19. Schumacher 0
20. Kubica 0
21. Mazepin 0

Teams
1. Mercedes 397,5
2. Red Bull Racing 364,5
3. McLaren 234
4. Ferrari 216.5
5. Alpine 103
6. AlphaTauri 84
7. Aston Martin 59
8. Williams 23
9. Alfa Romeo 7
10. Haas 0

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